Zukunftsforum Brave New Church am 21.10.

Viele haben es vermisst. Für andere ist es neu. Und wir haben Lust darauf. Wir haben ein kleines, aber feines Forum vorbereitet. Herzliche Einladung zum Kfm-Forum, das am Samstag, 21.10.2023, um 15.00 Uhr in Kleinsachsenheim (bei Bietigheim-Bissingen) stattfindet.

Pfarrer i. R. Peter Burkowski, ehemaliger Leiter der Führungsakademie für Kirche und Diakonie (fakd) in Berlin, teilt kluge und hilfreiche Impulse zur Transformation der Kirche mit uns. Gemeinsam überlegen wir, wie Kirche neu gedacht und gestaltet werden kann. Außerdem gibt es Zitronenkuchen, Leckeres vom Foodtruck und viel Zeit für Gespräche und Begegnungen.

Das war die Sommersynode 2023

Synode weist OKR-Antrag zur Reduzierung der Synodalsitze zurück

Am Freitag hat Oberkirchenrat Dr. Frisch einen Antrag zur Reform der Wahlkreise und zur Verkleinerung der Synode eingebracht. Zur Begründung heißt es „Die Zahl der Kirchenmitglieder geht seit Jahrzehnten zurück. Die Strukturen unserer Landeskirche auf allen Ebenen müssen an die gesunkenen Gemeindegliederzahlen angepasst werden.“ So sollen laut dem Antrag die Wahlkreise zur Kirchenwahl 2025 von bisher 24 auf dann 15 reduziert werden. Ebenso soll die Zahl der Mitglieder der Landessynode zur Kirchenwahl 2031 von jetzt 90 auf dann 60 sinken. Diese verteilen sich auf 20 Ordinierte und 40 Nichtordinierte. Auch im geschäftsführenden Ausschuss und Landeskirchenausschuss sollen die Mitglieder der Landessynode entsprechend reduziert werden.

Dieser Vorstoß des OKR wurde vorab nicht gut kommuniziert und hat entsprechend gesprächskreis-übergreifend Empörung und Widerstand ausgelöst. Bernd Wetzel widersprach in der Aussprache dieser geplanten Reduzierung der Synodalsitze:

Wenn es darum geht, einzusparen, ist es natürlich richtig, an allen Stellen einsparen zu wollen und zu müssen. Das ist scheinbar ein folgerichtiger Gedanke, aber es geht hier um das Selbstverständnis der Synode. Ich verstehe mich und wir verstehen uns als gewählte Ehrenamtliche, welche im bevorstehenden Reformprozess nicht 1:1 zurückgefahren werden sollten. Das Gegenteil wäre aus meiner Sicht nötig: Es braucht gerade das Ehrenamt, es braucht gerade unsere Stimme, um diesen ganzen Prozess zu moderieren. Deswegen braucht es nicht weniger von uns, sondern es braucht uns in Zukunft in unveränderter Zahl.“

Die Landessynode hat den Antrag des OKR sofort zur Abstimmung gebracht und mit großer Mehrheit abgelehnt. Aus ihrer Mitte hat sie einen neuen, ähnlichen Antrag eingebracht, der auf den Passus „Reduzierung der Synodalmitglieder“ verzichtet. Dieser wurde an die Fachausschüsse zur Beratung verwiesen.

–Von Bernd Wetzel


Reform der Mitarbeitendenvertretung: Entfall der ACK-Klausel

In der Landeskirche und der Diakonie gibt es keine Vertretung der Mitarbeitenden durch eine Gewerkschaft, sondern hier wird die arbeitsrechtliche Vertretung der Mitarbeitenden durch die Mitarbeitervertretung (MAV) gemacht. Das Ganze ist im Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) geregelt.

Die MAV wird von den Mitarbeitenden gewählt. Um in die MAV gewählt zu werden, war bisher geregelt, dass man in einer ACK-Kirche (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) Mitglied sein muss. Viele Mitarbeitende in der Diakonie sind mittlerweile nicht mehr Mitglied einer ACK-Kirche. Das hat zur Folge, dass diese Mitarbeitenden nicht in die MAV wählbar sind. Sie empfinden sich als Mitarbeitende zweiter Klasse. Das ist unserer Meinung nach nicht hinnehmbar.

Die Regelungen über die Wählbarkeit zur MAV stellen seit Langem das wohl meist diskutierte Problem im MVG dar. Die Landessynode hatte sich mit diesem Thema bereits in den Jahren 2013 und 2019 befasst.

In der Sommersynode 2023 wurde ein Gesetz eingebracht, die sogenannte „ACK-Klausel“ für die Wählbarkeit zu streichen. Nach einer heftigen Debatte über Pro und Contra hat die Synode mit überwiegender Mehrheit die Streichung beschlossen. Ergänzend wurde aufgenommen, dass die Kandidierenden zur MAV nochmals auf ihre Loyalitätsverpflichtung gegenüber Diakonie und Kirche hingewiesen werden, die sie mit ihrer Arbeitsvertragsunterzeichnung bereits eingegangen sind.
Wir sind froh, dass wir hier als Kirche für morgen diesen wichtigen Schritt für unser Mitarbeitenden in Diakonie und Kirche gehen konnten!

– von Reiner Klotz


Antrag zur Arbeitszeitregelung für Pfarrpersonen

In den letzten Jahren haben die Mehrbelastungen im Pfarrberuf zugenommen (Pfarrpläne, Verwaltungsaufgaben, Verwaltungs- und Steuerform). Die Arbeitsbedingungen haben sich erheblich verschlechtert. Die hohen Belastungen führen zu Überlastungen und zu krankheitsbedingten Ausfällen.

Im Sinne des Arbeitsschutzes und der Fürsorgepflicht braucht es eine geregelte Arbeitszeit. Dies trägt zur Attraktivität des Pfarrberufs und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Dazu hat Marion Blessing als Erstunterzeichnerin einen Antrag eingebracht.


Abschlussbericht Projekt „Partnerschaft, Ehen und Familien stärken“

Prof. Possinger (EH Ludwigsburg) stellt die projektbegleitende Studie vor

Am Freitagabend stand der ausführliche Abschlussbericht des Projekts „Familie stärken“ im Mittelpunkt der Beratungen. Dieses Projekt bildete von 2018 bis 2023 einen großen inhaltlichen und strategischen Schwerpunkt der Landeskirche. Es ist in dieser Zeit gelungen, das Thema Familie und Familienarbeit in der Fläche der Landeskirche in den Fokus zu nehmen und ein Netzwerk von unterschiedlichen Akteuren auf diesem Gebiet zu etablieren.

Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami stellte den kirchlichen Auftrag und die Überzeugung an den Anfang ihres Berichts, dass es bei Kirche immer um Beziehungen geht. „Kirche sein heißt, in Beziehungen zu leben.“ Im Laufe der Projektzeit hat sich dabei die gemeindebezogene Familienarbeit als wichtiger Schwerpunkt herauskristallisiert.  Z. Bsp. trifft „Kirche Kunterbunt“ als innovatives Gottesdienstformat für Kinder, Eltern und Großeltern den Nerv der Zeit. Wir sind froh, dass diese Arbeit unter dem Dach des Evangelischen Jugendwerk in Württemberg weitergeführt werden kann. 

Von persönlichen Erfahrungen der Ausgrenzung als Familie mit Kindern im Gottesdienst berichtete Anja Faisst in der Aussprache. Sie forderte: 

„Ich wünsche mir, dass Familien gerne in unsere Gottesdienste kommen und ihren Platz dort haben. Ich wünsche mir, dass wir innovative Angebote weiterführen und neu entwickeln, wie z. B. kirchliche Gebäude zeitweise in Indoorspielplätze verwandeln.“

Auf die Vorstellung der projektbegleitenden Studie „Familie gefragt“, die von Frau Prof. Possinger von der EH Ludwigsburg vorgestellt wurde, reagierte Matthias Böhler mit der Frage nach dem Profil evangelischer Familienarbeit. Die Studie deckt eine Diskrepanz auf. Auf der einen Seite ist bei Familien gerade in der Familiengründungsphase das Interesse an Kirche, an Glaube, an Spiritualität riesengroß. Die gleichen Familien sagen aber auf der anderen Seite „Glaube ohne Kirche ist möglich“. Das stimmt nachdenklich. Was unterscheidet uns als Kirche von anderen Playern in der familienbezogenen Arbeit? „Schaffen wir nicht nur Kontakt- und Begegnungsfläche, sondern öffnen wir Räume für Spiritualität und Glaubenserfahrungen für Familien“, so Matthias Böhlers Forderung.

– Von Matthias Böhler


Aktuelle Stunde

Am Donnerstag, 6. Juli 2023, sind im Bundestag die Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe gescheitert. Diese Abstimmung wurde zum Anlass genommen, das Thema der aktuellen Stunde folgendermaßen zu wählen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Was können wir als Kirche in die Gesellschaft einbringen, um in diesem Sinne Menschen vom Beginn des Lebens bis zu ihrem Ende zu begleiten und zu schützen.“ Über diese schwierige und komplexe Thematik tauschten sich die Synodalen in der Aktuellen Stunde am Samstag aus.
 
Dass wir als Kirche bereits jetzt eine „Kultur des Lebens“ vertreten und dabei über eine vielfältige Palette an Suizidprävention, z.B. durch Unterstützungs- und Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken verfügen, daran erinnerte Anja Faißt in ihrem Beitrag. Sie plädierte dafür, diese Palette auszubauen und kommunizieren und damit in die Gesellschaft zu wirken.
 
Marion Blessing sprach sich dafür aus, Menschen in existenziellen Krisen zu begleiten, die häufig dem Wunsch nach einem assistierten Suizid, dem Wunsch zu sterben voraus geht. Menschen begleiten, sie ernst nehmen, ihnen zuhören, Anteil an ihren Sorgen nehmen und Krisen miteinander aushalten, ohne schnelle Lösungen zu präsentieren, dies ist die Stärke unser Diakonie und Kirche.
 
Mitgefühl und Respekt angesichts der „Nichtlösung“ wünschte sich Götz Kanzleiter für die Abgeordneten im Bundestag. Dass ethisch-moralische Themen zu spaltenden Debatten führen können, wissen wir in der Synode auch.

– Von Britta Gall



Podcast zur Sommersynode:

Rückblick auf die Frühjahrssynode 2023

Mutige Schritte für die Kirche der Zukunft

Dass wir davon überzeugt sind, dass wir verstärkt die Transformation unserer Kirche vorantreiben müssen, wenn es „morgen“ noch eine Kirche geben soll, sagte Britta in ihrem Votum zum Bericht des Landesbischofs.
Von der Zukunft her denken und so handeln, dass der Boden für Pionierbäume im kirchlichen „Wald“ bereitet ist, um dadurch Aufbrüche für den neuen Kirchenwald wachsen zu sehen. Das heißt: neue Formen von Gemeinde, zielgruppenorientierte Gottesdienste, neue Anstellungsformen für Pfarrerinnen und Pfarrer, neue Zugänge ins Pfarramt! Denn auch wenn wir heute noch nicht sehen, wie die Kirche der Zukunft konkret aussieht, brauchen wir mutige Schritte in den Übergang hinein!


Pfarrplan 2030 – Pfarrstellen werden reduziert

Beim Pfarrplan 2030 geht es darum, wieviele Pfarrstellen es in unserer Kirche im Jahr 2030 noch geben soll bzw. geben kann. Die Mehrheit der Synode, auch die Mehrheit der KfM Synodalen haben sich für die vorgelegten Zahlen ausgesprochen. Sie sind um 42 Personen höher als im ersten Entwurf vorgeschlagen. Trotzdem sind die Einschnitte mit einem Minus von über 25% natürlich heftig. In den kommenden fünf Jahren geht die Generation der ‚Babyboomer‘ in den Ruhestand, die Zahl der Pfarrer*innen wird sich dadurch dramatisch reduzieren, da viel weniger Junge nachkommen. Wir haben JA zu den Zahlen gesagt, die sehr realistisch sind.
Wir von ‚Kirche für morgen‘ fordern auch ganz neue Wege auf dem Weg der Umsetzung dieses Pfarrplans in den nächsten Jahren. Es braucht dafür nicht einfach ein Weiterwursteln wie bisher, sondern einen echten Paradigmenwechsel: bei alternativen Zugängen zum Pfarramt, bei Zugängen aus anderen Ländern und Berufsgruppe. Es braucht eine neue Gottesdienstordnung und Nachnutzungskonzepte für nicht mehr benötigte Gebäude. Gleichzeitig braucht es Mut und Bereitschaft, einfach Dinge ausprobieren zu dürfen. Für alle hauptamtlichen Berufe in der Landeskirche muß es möglich sein, auch bei weniger Stellen, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bekommen.


Antrag zur Umgemeindung

Bei einer Umgemeindung, also einem Wechsel in eine andere Gemeinde, nimmt bisher jedes Gemeindeglied seine Rechte und Pflichten in der gewählten Kirchengemeinde wahr, aber die Kirchensteuerpflicht besteht weiterhin gegenüber der Kirchengemeinde des Wohnsitzes. Durch den eingebrachten Antrag soll die Kirchensteuerpflicht bei einer Umgemeindung gegenüber der gewählten Kirchengemeinde bestehen.
 Kirchenmitglieder, die sich für eine Umgemeindung entscheiden, sind in der Regel durch ihre Biografie, ihr Engagement oder das Profil der gewählten Gemeinde mit ihr hoch verbunden. Die Aufgaben und Pflichten (Seelsorge, Kasualien, Verwaltung…) liegen bei der gewählten Kirchengemeinde. Sie versendet Gemeindebriefe, lädt zum Fest der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein usw., erhält dafür aber keine finanzielle Unterstützung. Gerade in Zeiten knapper werdender Kirchensteuer ist es deshalb nicht mehr plausibel vermittelbar, warum eine Umgemeindung keine finanziellen Auswirkungen hat. Aus den oben genannten Gründen haben wir einen Antrag mit folgendem Wortlaut in der Frühjahrssynode 2023 eingebracht:

Die Landessynode möge beschließen, Satz 2 des §6a (4) der Kirchengemeindeordnung (KGO) wie folgt zu ändern: „Die Kirchensteuerpflicht besteht ab dem Zeitpunkt der Ummeldung gegenüber der gewählten Kirchengemeinde.“


Statement zu „Kirche in guter Verfassung?“

„Kirche in guter Verfassung?“ So das Thema des Schwerpunkthalbtages Kirchenverfassung am Sa. 25.03.2023
100 Jahre ist unsere Kirchenverfassung in Württemberg geworden. Ein runder Geburtstag, der gefeiert werden muss! Ist es nun an der Zeit einen Prozess starten, der die Überarbeitung der gesamten Kirchenverfassung zum Ziel hat?
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Sollen nur einzelne Zusammenhänge oder Paragrafen durch die gestellten Anträge geändert werden? Oder bräuchte es hier nicht vielmehr einen viel größeren Entwurf. Eine Verfassungsneuschöpfung. Anderseits gilt zu bedenken: Die Württembergische Kirchenverfassung hat den Charm, dass sie vergleichsweise kurzgehalten ist und vieles offen lässt, einen Gesamtrahmen bietet, was dann an anderer Stelle durch weitere Gesetze näher geregelt wird. Dies bietet Flexibilität ohne zu enge zu fassen. 
Dank an Frau Dr. Oelmann für ihre „steilen Ideen“ die sie uns mit auf den Weg gegeben hat. Sie hat davon gesprochen, dass wir die Verfassung ergänzen sollten mit dem, was bisher fehlt: Gemeinden und Kirchenbezirke! Auch sollte das Verhältnis der einzelnen Verfassungsorgane zueinander neu betrachtet werden unter dem Leitgedanken, was das große Ganze ausmacht. Und dann dieser Satz, der die Aufgabe, trefflich skizziert. Sie ermutigte dazu:“Denken Sie in die Zukunft und schaffen Sie in der Verfassung Raum für die neuen Gemeindeformen des 21. Jahrhunderts, die eher in Milieus und individueller Frömmigkeitspraxis, denn in Straßen und Stadtteilen begründet liegen werden.“
Was könnte dieser Leitgedanke, was „das große Ganze unserer Württemberger Landeskirche ausmacht“ sein? Was ist unser Bild von Kirche heute, für das die Verfassung den passenden Rahmen darstellt? Wir sind Kirche, weil uns Gott gesandt hat.  Diese missio  dei, diese Sendung Gottes steht ganz am Anfang von Kirche, und bildet die Grundlage für den Leitgedanken.
In die Zukunft gedacht: Wie schaffen wir es dass sich Menschen, jüngere, ältere, aus verschiedenen Lebenswelten und mit verschiedenen Lebensentwürfen eine Beziehung zu dem Gott finden, der eine Sehnsucht nach uns Menschen hat und mit uns Menschen in Beziehung leben möchte. Mit dieser Sendung Gottes hat Kirche begonnen, durch sie bekommt sie ihren Charm ihre Strahlkraft. Daraus lässt sich der Leitgedanke einer beziehungsorientierten Kirche ableiten, die nahe bei den Menschen ihren, Fragen, Sehnsüchten und Nöten ist.


Nachbesprechung zur Frühjahrssynode mit Ralf Walter und Reiner Klotz

Rassismus macht nicht vor der Kirchentüre halt

Wenn wir von Rassismus reden, reden wir oft von den anderen. Warum nicht einmal über uns selbst?

Wenn ich mir Talkshows zu den Themen Rassismus oder Identitätspolitik ansehe, erlebe ich häufig ein Schwarz-Weiß- Denken, das die Debatten aufkochen und die Menschen streiten lässt. Dabei sehe ich gerade in diesen Themen eine große Chance für uns Christ*innen, bessere Dialoge führen zu können. Gleichzeitig ist es als Kirche gefährlich, das Thema Rassismus von außen zu betrachten und uns als „die Guten“ zu betrachten. Als die, die nichts mit strukturellem Rassismus zu tun haben.

Wenn ich von Rassismus spreche, meine ich nicht den vielzitierten Rechtsextremismus und auch nicht jenen Rassismus, der Deutschland bis 1945 beherrschte. Ich meine eine rassistische Prägung, die sich seit der Aufklärung unbemerkt in uns verankert hat. Zur Zeit der Aufklärung brauchten die Menschen einen Legitimationstrick, mit dem es ok war, zum einen die Werte der Aufklärung – Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit – hochzuhalten und zum anderen die Menschen kolonial auszubeuten.

Also haben Gelehrte aus Philosophie, Kirche und Wissenschaft dazu beigetragen, ein Rassenkonstrukt in die Welt zu tragen und aufrechtzuerhalten, in dem eins feststand: Ganz oben steht die „weiße Rasse“. Eine Rasse, die die Werte der Aufklärung in sich vereint. Alle anderen sind Menschen zweiter Klasse und wurden entmenschlicht.

Heute wissen wir natürlich, dass es keine biologischen Menschenrassen gibt. Und doch gibt es immer wieder Äußerungen, die auf eben diese Klassifizierung zurückführen. Zum Beispiel wenn in der Kirche davon gesprochen wird, dass unsere afrikanischen Geschwister „Rhythmus im Blut“ haben oder die Deutschen „per se pünktlich“ sind und eine „innere Uhr sie antreibt“. Oder wenn in Medien darüber spekuliert wird, warum Läufer*innen aus Kenia bei den olympischen Spielen so schnell sind und sauber finanzierte Studien dann herausfinden wollen, dass die kenianische Wade im Schnitt 15 Gramm leichter ist. Vergleichbare Studien sucht man bei weißen Schwimmweltmeister*innen vergebens, weil bei ihnen die Gründe „Fleiß und hartes Training“ ausreichen.

Diese Bilder werden auch in unserer Kirche verfestigt, weil dort People of Color durchaus im kirchlichen Kontext zu sehen sind, aber fast ausschließlich als hilfsbedürftige Protagonist*innen auftreten, beispielsweise in der Diakonie, auf Spendenplakaten, bei der Arbeit mit Geflüchteten, der Hausaufgabenhilfe, auf der Fairtrade- Schokolade …

Wir sehen sie aber kaum bis gar nicht auf der Kanzel, im Kirchengemeinderat, der Kirchenleitung, im Mitarbeiter*innenkreis oder in unterschiedlichsten Planungstreffen.

Wenn ich heute durch die Innenstadt laufe, sehe ich deutlich, dass unsere Gesellschaft zu etwa einem Viertel aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht. Der Anteil bei den Kindern unter fünf Jahren liegt sogar bei 41 Prozent. Wenn ich Sonntag morgens in den Gottesdienst gehe, sehe ich von dieser Vielfalt nichts. Die Diskrepanz ist aber kein Zufall, denn sie hat mit den verfestigten Bildern und Vorurteilen zu tun und mit der mangelnden Aufarbeitung der eigenen kolonialen Verstrickungen in der Entstehung des Rassenkonstrukts. Ich selbst konnte mir zum Beispiel nie vorstellen, Pfarrerin zu werden, weil es für mich in der Kirche schlichtweg keine Vorbilder gab. „You can only be what you can see“ – es gibt an den entscheidenden Stellen unserer Kirche bis heute viel zu wenig People of Color.

Und wenn wir schon über Rassismus reden, reden wir nur zu oft von den anderen und betrachten uns als Kirche viel zu selten mit der notwendigen Selbstkritik. Dabei hängt unsere Zukunftsfähigkeit doch auch davon ab. Gerade in Hinblick auf schwindende Mitgliedszahlen in einer pluralen Gesellschaft muss sich Kirche selbstkritisch in den Blick nehmen und so den vielfältigen Identitäten Beachtung und Achtung entgegenbringen.

In der Bibel sehen wir, wie Gott selbst sich von Anfang bis Ende an der Seite der Unterdrückten sieht: Gott rettet durch den Exodus, Jesus lebt und predigt, wo er sich und Gott in der Welt sieht. Und Paulus warnt vor Spaltung und ruft zur Liebe untereinander auf, in einer Kirche, die schon damals nicht mono-kulturell gedacht war. Außerdem sehen wir uns als Christ*innen als Leib Christi.

Dieses Bild des Leibes kann uns helfen, uns von latentem Schwarz-Weiß-Denken zu lösen und versteckte Rassismen gemeinsam zu überwinden.

Es mag wehtun, Rassismus bei sich selbst zu erkennen. Es mag schwer sein, die Dinge anders zu betrachten als wir es gewohnt sind. Doch so können wir gemeinsam Verantwortung übernehmen,

uns verändern und die nachfolgenden Generationen prägen und zu einer gemeinschaftlichen Kirche werden, von der bereits Paulus, Martin Luther King und viele andere geträumt haben.

Sarah Vecera
Theologin, Aktivistin, Mama Autorin „Wie ist Jesus weiß geworden?“

Das war die Herbstsynode 2022

Klimaschutzgesetz beschlossen 

Am Freitag hat die Landessynode das Klimaschutzgesetz beschlossen. Im Gesprächskreisvotum betonte Anja Faißt, dass das Gesetz „ein Zeichen dafür ist, dass Kirche handelt und nicht in Ohnmacht oder Ignoranz verfällt.“

Gerade für junge Menschen sei das ein wichtiges Signal. Kirche für Morgen lege Wert darauf, dass Klimaschutz eine kirchliche Bewegung sei, die immer mehr Akzeptanz finde, so Anja Faißt. Dafür sei es wichtig, dass alle Menschen in unserer Landeskirche durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sensibilisiert und mitgenommen würden. Als Christinnen und Christen seien wir ermutigt, unsere Lebensrealität wahrzunehmen und zu vertrauen auf die Gotteskraft, die uns befähigt verantwortlich zu handeln.

In der Aussprache ging es unter anderem um das Erreichen der CO2-Neutralität. Hier sprach sich Kirche für morgen mehrheitlich für das im Gesetz vorgeschlagene Ziel Klimaneutralität bis 2040 aus. Nachdem ein Änderungsantrag (bis 2035) kein Erfolg hatte, wurde das Gesetz einstimmig beschlossen.


Aktuelle Stunde zu Sorgen und Ängsten

Die aktuelle Stunde, bei der immer ein Thema von den Gesprächskreisen selbst eingebracht wird, hatte dieses Mal den Titel „Armut, Inflation, Bürgergeld und Klimaschutz: Was lassen wir uns die Zukunft kosten?“. 

Hierbei wurden im Besonderen junge Menschen in den Blick genommen, die unter der unsicher wirkenden Zukunft oft besonders leiden.

So verwies Anja Faißt auf die Studie „Jugend in Deutschland“, die die Sorgen und Ängste junger Menschen in den Blick nimmt. Auch für die Kirche sei es wichtig die Sorgen und Ängsten junger Menschen ernst zu nehmen. „Wir müssen den christlichen Glauben als Ressource aufzeigen“, sagte Faißt.

Britta Gall machte Mut, dass auch in der Pandemie Positives entstanden sei. Diese Krise könnte Menschen näher zusammenbringen, auch unterschiedlicher Prägungen, nach dem Motto #miteinanderwarmwerden.

Marion Blessing nahm die von Armut Betroffenen Menschen in den Blick. Gegen die Angst vor Armut und fehlender Teilhabe brauche es „finanzielle Hoffnungszeichen unserer Kirche“. Sie befürwortete, dass 5,2 Millionen Euro im Haushalt für den Energiefonds eingestellt werden sollen. „Betroffene Menschen brauchen Unterstützung.“


Erprobung von multiprofessionellen Teams

Seit vielen Jahren setzen wir uns für eine Vielzahl von Entlastungsmodellen für Pfarrpersonen sowie für Erprobungsformen und Erprobungsräumen in den Kirchengemeinden ein. Der Antrag für Erprobungen in Distriktgemeinden soll hier entsprechende Potentiale entfalten. So soll die Zusammenarbeit von multiprofessionellen Teams in Distrikten und Einzelgemeinden erprobt werden, in denen z.B. Pfarrstellen nicht besetzt werden. Diese Pfarrstellen könnten dann auch mit Berufsgruppen wie Diakonen besetzt werden. Hierbei soll von den Erfahrungen der Erprobungsräume der bayerischen Landeskirche sowie weiterer Gliedkirchen der EKD profitiert und auf diese aufgebaut werden.


Verwaltungsreform macht Kirche fit für die Zukunft

Verwaltungsaufgaben werden immer komplexer. Zudem muss die Verwaltung modularer gestaltet werden, um für diese erhöhte Komplexität gut gewappnet zu sein. Hierbei hilft die Verwaltungsreform, die bei der Herbstsynode verabschiedet wurde. In seinem Votum betonte Ralf Walter, dass es wichtig sei, unsere Mitarbeitenden gut mitzunehmen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen.

Unsere Hoffnung sei es, dass sowohl für Verwaltungsmitarbeitende als auch für Pfarrerinnen und Pfarrer eine spürbare Entlastung beim „Daily Business“ eintrete, und dadurch Freiräume für das „Heavenly Business“ entstehe.


Kosmetik statt Transformation bei der Schwerpunktsetzung

Weniger Mitglieder bedeutet weniger Kirchensteuer. In einem ausführlichen und intensiven Prozess macht sich die Landessynode deshalb zusammen mit dem Oberkirchenrat Gedanken über zukünftige Schwerpunktsetzungen. Neben dem PfarrPlan will die Landeskirche bis ins Jahr 2030 155 Stellen im Bereich der Angestellten und Beamten abbauen. Der Übernachtungsbetrieb im Haus Birkach wird bis zum Ende des Jahres 2023 eingestellt, die verschiedenen Bereiche der Erwachsenenbildung sollen neu konzipiert, Doppelstrukturen abgebaut und die Bildungsarbeit durch Synergieeffekte trotz Stellenreduzierungen gestärkt werden. Ausgebaut werden in den nächsten Jahren die Kooperationen mit der badischen Landeskirche. Im Gespräch sind zum Bsp. die Akademiearbeit, die Hochschulen für Kirchenmusik oder die Zentrale Gehaltsab-rechnungsstelle.
Kirche für morgen hält die angestoßenen Veränderungen für notwendig und unterstützt die gefassten Beschlüsse. Trotzdem mahnt Matthias Vosseler in der Aussprache an: „Wir werden mittelfristig um einen kompletten Systemwechsel in unserer Landeskirche nicht herumkommen. Wir müssen in unserem kirchlichen System eine Revolution denken und angehen, um wenigstens Transformationen zu erreichen. Bei all dem, was wir hier diskutieren: Wir sind immer noch im Bereich der Kosmetik, ein bisschen mehr Wimperntusche, ein paar graue Haare aus-reißen oder etwas Botox spritzen, zwei Kilo Fett absaugen. Langfristig wird das aus meiner Sicht nicht mehr möglich sein.“


Weniger Pfarrstellen sollen gekürzt werden

Ein weiterer Antrag von Kirche für morgen war die Erhöhung der vorliegenden Zielzahl für 2030 von geplanten 1036 Pfarrstellen (im Gemeinde- und Sonderpfarrdienst) auf 1100. Dies bedeutet rechnerisch rund zwei Pfarrstellen pro Kirchenbezirk weniger zu kürzen als ursprünglich vorgesehen.  

Die 64 zusätzlichen Stellen sollen unter anderem über alternative Zugänge zum Pfarrdienst ermöglicht werden – auch für Studierende nicht universitärer, aber dennoch staatlich anerkannter Hochschulen. Privatrechtlichen Anstellungsformen sollen ebenfalls erprobt werden und zu einer Vielfalt beitragen.  

Damit gelang es Kirche für morgen endlich, die notwendige Öffnung zu alternativen Zugängen in den Pfarrdienst zu ermöglichen.


Stabile Finanzen – doch die fetten Jahre sind vorbei

Am Samstag standen die Haushaltsberatungen auf dem Programm. Für 2022 wurde mit Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 800 Mio € gerechnet und dieses Ziel wird auch erreicht werden. In diesen stabilen Einnahmen schlägt sich die hohe Inflation nieder, was auf der Ausgabenseite allerdings auch zu steigenden Personalkosten führt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Einsparungen, die wir im Pfarrplan 2030 und in der Personalstrukturplanung 2030 deutlich abbilden.

Kirche für morgen steht bei diesen trüben Aussichten für Hoffnung und für mutige Spielräume und neue Formen von Kirche. Tobi Wörner sagte in seinem Votum: „In einer Übergangsphase gilt es, das früher Gewachsene großzügig zu beschneiden und gleichzeitig großzügig Neues zu säen und zu probieren. Im großen Wandel des kirchlichen Gartens braucht es Abschied, Neubeginn und vor allem Bewässerung für frische, ungewohnte Setzlinge.“


Reinhold Krebs. Visionär. Pionier. Initiator. Vernetzer.

😢 Wir sind sprachlos, traurig, beschenkt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ist Reinhold Krebs nach langer, schwerer Krankheit gestorben.

Er hatte Jesus tief im Herzen und eine große Hingabe für die Menschen. Für unsere Kirche war er wegweisend. Er war Mitgründer von Kirche für morgen, unzähliger Initiativen im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg und der deutschen Fresh X-Bewegung. Für viele von uns war er ein treuer Wegbegleiter und Freund. Seine innovative und zugewandte, visionäre und zugleich hörende Art hat ihn in besonderer Weise ausgezeichnet. Was er ausgesät hat, wächst und gedeiht und die Früchte seines Wirkens werden uns noch lange begleiten und prägen. Seine authentische Weise zu glauben und seine weitsichtige Fähigkeit inspirieren uns. Denn Reinhold hat an neuen Horizonten stets Gottes Spuren entdeckt. 💛

Danke. Für alles, lieber Reinhold. Bis wir uns wiedersehen!
Deine Zitronen 🍋


Neulich noch ist ein super interessanter Podcast mit ihm entstanden. Mit allem, was ihn so bewegt. Wer den noch nicht kennt oder nochmal anhören mag: 


Livestream zur Gedenkfeier

Ausgrenzung und Umarmung

Die Realität im einundzwanzigsten Jahrhundert beunruhigt. Die einfache Tatsache, in irgendeiner Weise anders zu sein, wird als etwas Böses definiert. Warum macht uns das Fremde zu schaffen und wie können wir als Christ:innen glaubwürdig damit umgehen? Johannes Stahl hat seinen ehemaligen theologischen Lehrer Dr. Miroslav Volf befragt.

„Mein Auslandsstudium liegt ein Vierteljahrhundert zurück, damals in den USA begegnete mir Dr. Miroslav Volf, ein Europäer mit kroatischen Wurzeln. Volf ist inzwischen Professor in Yale und hat seine Thesen von Ausgrenzung und Umarmung, die mich in den 90ern gepackt haben, ausgereift und differenziert. Geboren aus der persönlichen Erfahrung einer tödlichen Unversöhnlichkeit in Serbien und Kosovo vertritt Volf die Ansicht, dass christliche Theologie Wege finden muss, um sich mit dem Hass auf Andere auseinanderzusetzen. Gibt es eine Hoffnung, unsere Feinde zu umarmen?

Gibt es eine Hoffnung, unsere Feinde zu umarmen?

Indem Volf auf die neutestamentliche Metapher der Erlösung als Versöhnung zurückgreift, schlägt er die Idee der Umarmung als theologische Antwort auf das Problem der Ausgrenzung vor. Er sagt: „Wir stellen zunehmend fest, dass die Ausgrenzung zur Hauptsünde geworden ist, die unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit verzerrt. Angesichts dessen müssen Christen lernen, dass das Heil nicht nur dann kommt, wenn wir mit Gott versöhnt sind und nicht nur dann, wenn wir lernen, miteinander zu leben. Gottes Heil kommt, wenn wir den gefährlichen und kostspieligen Schritt tun, uns dem anderen zu öffnen, sie oder ihn in die gleiche Umarmung einzuschließen, mit der wir von Gott umarmt wurden.“

Identitätszentrierte Konflikte innerhalb und zwischen den Nationen waren lediglich Strömungen im großen Strom der globalen Integrationsprozesse und der Ausbreitung der globalen Monokultur – so dachten wir am Ende des letzten Jahrtausends. Aber die Welt ist nicht mehr geeint, und der Widerstand gegen die Globalisierung kommt nicht mehr nur von Randgruppen und kleineren Nationen. Aber auch, weil die Globalisierungsprozesse eine Spur des Leids und der Orientierungslosigkeit hinterlassen haben, die sich am deutlichsten in den außerordentlichen Diskrepanzen von Reichtum und Macht zwischen und innerhalb der Nationen der Welt, der fortschreitenden ökologischen Zerstörung und dem Verlust des Gefühls kultureller, religiöser und nationaler Identität und Kontrolle zeigt.

Ihr Motto lautet: „Europa wird entweder christlich sein oder es wird aufhören zu sein“

Nationale, ethnisch-kulturelle, religiöse, rassische, geschlechtliche und sexuelle Identitäten sind heue wesentliche Triebkräfte der Politik. Bei der Wahlkampagne „Make America Great Again!“, die Donald Trump ins Weiße Haus brachte, ging es vor allem um Identität, um die Wahl zwischen einem weißen, „jüdisch-christlichen“, nationalistischen Amerika und einem pluralistischen Amerika, in dem Gruppen mit unterschiedlichen, dominanten Identitäten unter einem Dach zusammenleben. Bei den extremen Rechten geht es um Identität.

Religionen haben immer auch ein Identitätsanliegen, aber sie werden oft mit anderen Identitäten und Interessen verbunden. Zwei Varianten des Christentums, der Katholizismus und die Orthodoxie, waren zusammen mit dem Islam der Grund für den Krieg zwischen ethnischen Gruppen im ehemaligen Jugoslawien, als Volf sein Buch „Ausgrenzung und Umarmung“ schrieb. In identitätszentrierten Kämpfen fungieren Religionen in der Regel als Marker für Gruppenidentitäten und als Werkzeuge im Dienst politischer Kräfte, die als Hüter dieser Identitäten auftreten. Sie verlagern den Konflikt in den Bereich des Sakralen und erhöhen seine Brisanz.

Die Praxis der Umarmung ist eine Dimension des wahren Lebens, das durch Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, ermöglicht wurde.

Das ist schlecht für die Welt und für die Religionen selbst. In ihren Ursprüngen und in ihren besten historischen Ausprägungen sind alle Weltreligionen universelle Religionen, die jeden Menschen als menschliches Wesen ansprechen.

In der europäischen Neuen Rechten – „génération identitaire“ in Frankreich, „identitäre Bewegung“ in Deutschland und Österreich, „generation identity“ in Großbritannien – sieht Volf die einflussreichste politische Identitätsbewegung im Westen. Sie ist auch philosophisch eine der Anspruchsvollsten. Die Vertreter der europäischen Neuen Rechten lehnen nicht nur die angebliche Dekadenz und Leere der westlichen Kultur ab, sondern auch den Kapitalismus und das Primat der instrumentellen Vernunft, von denen man annimmt, dass sie dieser Dekadenz und Leere zugrunde liegen. Doch der Hauptfeind dieser Identitären sind die kosmopolitischen, multikulturellen und liberalen Globalisten. Sie sind es, die Europas Tore weit geöffnet haben für das, was der französische Schriftsteller und Polemiker Camus Renaud „Gegenkolonisation“, „die große Dekulturation“ oder „die große Ablösung“ nennt. Drei Begriffe für die Vorstellung, dass Menschen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Subsahara-Afrika, die meisten von ihnen Muslime und alle nicht weiß, allmählich die weiße Mehrheit Europas, die Träger der christlich geprägten Zivilisation, ersetzen.

Die meisten europäischen Identitären sind Christen, oft junge, konservative Katholiken; selbst die Atheisten unter ihnen bestehen auf dem christlichen Charakter des säkularen Westens. Ihr Motto lautet: „Europa wird entweder christlich sein oder es wird aufhören zu sein“. Wenn es jedoch um den Inhalt ihrer gesellschaftlichen Vision geht, ist der christliche Glaube, den die europäischen Identitären ebenso wie ihre Pendants in Amerika und Russland für sich beanspruchen, zu einem sakralisierten Identitätsmerkmal und einem Werkzeug in politischen Kämpfen ausgehöhlt worden.

Die Identität eines Menschen als „Ebenbild Gottes“ und „Kind Gottes“ wird bei Caroline Sommerfeld, einer führenden Philosophin der Neuen Rechten, in andere Identitäten eingepasst und nicht umgekehrt. Wir sind in erster Linie Mitglieder unserer ursprünglichen Gemeinschaft – Heimat, geografische Region usw. – und erst in zweiter Linie Mitglieder der vielfältigen menschlichen Gemeinschaft oder der Kirche, dem einen Volk Gottes, das viele Sprachen spricht. „Zuerst kommt der Schoß der Mutter, das Haus des Vaters, das Dorf, die Gegend, das Land, der Nationalstaat, zuletzt die Menschheit“, schreibt Caroline Sommerfeld.

In „Ausgrenzung und Umarmung“ geht es Volf um Identität, aber er ist nicht identitär.

… dass die Feindesliebe, die in Gottes Umarmung der sündigen Menschheit in Christus zum Ausdruck kommt, für den christlichen Glauben und das Leben in der Welt von grundlegender Bedeutung ist.

Für Volf ist die Praxis der Umarmung und die Theologie, die sie untermauert, eine Dimension des wahren Lebens, eine Art von Leben, das durch Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, ermöglicht wurde. Das Bekenntnis zu Christus als dem wahren Leben steht im Gegensatz zu der Vernachlässigung dessen, was in den hyperindividualistischen, marktorientierten Gesellschaften der Gegenwart am wichtigsten ist.
Volf hält fest: „Gottes unveränderliche und bedingungslos liebende Beziehung zu allen Menschen (Johannes 3,16) begründet deren gemeinsames Menschsein und Gleichheit. Der eine dreieinige Gott ist der Gott aller Menschen, von denen jeder ein einzigartiges und dynamisches Geschöpf einer bestimmten Zeit, einem Ort und einer Kultur ist.

In „Ausgrenzung und Umarmung“ geht Volf von einer solchen Darstellung des Charakters und der Herkunft der gemeinsamen Menschheit aus. Der Strang über identitätszentrierte Konflikte beruht auf der Überzeugung, dass die Feindesliebe, die in Gottes Umarmung der sündigen Menschheit in Christus zum Ausdruck kommt, für den christlichen Glauben und das Leben in der Welt von grundlegender Bedeutung ist: Die Unbedingtheit der göttlichen Liebe erfordert und ermöglicht die entsprechende Unbedingtheit der menschlichen Liebe.

Die Hauptthese von Volf ist folgerichtig: Der Wille, uns anderen hinzugeben und sie „willkommen“ zu heißen, geht jedem Urteil über andere voraus.

Miroslav Volf ist gebürtiger Kroate und Professor für Systematische Theologie an der Divinity School der Yale Universität in New Haven, Connecticut. Sein Werk „Exclusion & Embrace“ gilt „Christianity Today“ als eines der 100 besten religiösen Bücher des 20. Jahrhunderts und wurde 2002 mit dem Louisville Grawemeyer Award in Religion ausgezeichnet.

Rückblick auf die Sommersynode 2022

Kirche der Zukunft – Neue Aufbrüche

Eine Gesamtstrategie für die Zukunft? Neue Formen von Kirche ermöglichen und fördern?

Darum kämpfen wir von Kfm schon seit langem. Nachdem ein entsprechender Antrag durch den Ausschuss „Kirchen- und Gemeindeentwicklung“ lief und vom Oberkirchenrat nur alibimäßig behandelt wurde, brachte der Vorsitzende Kai Münzing einen Folgeantrag an. Wir wollen die Stelle „Neue Aufbrüche“ verstetigen.

10 Innovationspfarrstellen hängen an ihr und natürlich die Begleitung sämtlicher Vor-Ort-Aufbrüche in Württemberg. Wir feiern, dass nur fünf Synodale sich unserem Anliegen nicht anschließen konnten.

Jetzt liegt es am Oberkirchenrat diese Pfarrstelle bestmöglich in die Zukunft zu bringen. Damit aber nicht genug. Wir brachten den neuen Antrag 34/22 ein. Darin fordern wir eine “Stabsstelle beim Landesbischof“ für Wandel, Transition und Innovation. Wir wollen Ideen schmieden und Erprobungsräume öffnen und evaluieren. 28 Synodale unterschrieben den Antrag schon im Vorfeld und er wurde an den KGE-Ausschuss verwiesen.                           

– Tobi Wörner


Digitales Abendmahl jetzt möglich

Mit überwältigender Mehrheit haben die Landessynodalen einer Änderung der Abendmahlsordnung unserer Landeskirche zugestimmt. Es wird jetzt möglich, dass Kirchengemeinden das Abendmahl in digitaler Form feiern können.

Wir Synodale von Kirche für morgen freuen uns über diese Entscheidung.

– Oliver Römisch


Modernisierung der Verwaltung

Der Oberkirchenrat brachte bei der diesjährigen Sommersynode einen Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Verwaltung in der Ev. Landeskirche ein. Das Gesetz soll nach Beratung in den Fachausschüssen dann in der Herbstsynode verabschiedet werden. Es sieht weitreichende Änderungen in unseren Verwaltungsstrukturen vor: Verwaltung soll bis Ende 2030 umgestaltet werden: Mitarbeit wird in Regionalverwaltungen zentralisiert, soll aber auch deutlich digitaler werden. In den Kirchengemeinden soll die Assistenz der Gemeindeleitung direkte Ansprechperson sein und Aufgaben des Gemeindesekretariats und lokale Administrationsaufgaben der bisherigen Kirchenpflegen in sich vereinen.

Als Kirche für morgen finden wir es wichtig, dass wir unsere Verwaltungsstrukturen fit füs digitale Zeitalter machen. „Wir haben ein Kommunikationsproblem.“ – so Götz Kanzleiter in seinem Votum. Und auch Kai Münzing, Vorsitzender des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung, mahnte an, die „mittlere Ebene“, die das Projekt dann an ihrer Basis transportieren muss, besser in das Projekt mit hineinzunehmen, als das bisher geschah.

– Ralf  Walter


Aktuelle Stunde zur Ukraine-Krise

Bei der aktuellen Stunde wurde der Krieg in der Ukraine und die Folgen und die Verantwortung für die Kirchen in den Blick bekommen. Matthias Vosseler berichtete über gelungene Initiativen, die es in vielen Kirchengemeinden mit den Flüchtlingen aus der Ukraine gibt. „Hier ist unsere kirchliche Verantwortung gefragt; die Gesellschaft erwartet das von uns, aber wir bekommen auch viele positive Rückmeldungen.“ Bei allem Einsatz für die Flüchtlinge aus der Ukraine sind aber die vielen anderen Flüchtlinge nicht aus dem Blick zu verlieren, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, die oft noch viel schwierigere Bedingungen haben.


Bericht zur Chancengleichheit

Chancengleichheit ist eine Querschnittsaufgabe: Sie betrifft Faktoren, wie Geschlecht, sexuelle Identität, Alter, Behinderung, Migration und Religion entsprechend den Kriterien des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes. Wir wollen achtsame Kirche sein: beim Thema sexualisierte Gewalt und bei Diskriminierung aller Art.

Ursula Kress

Diese Worte standen am Anfang und Ende vom Vortrag der Gleichstellungsbeauftragten Ursula Kress.

Der Umgang mit sexualisierter Gewalt wird zunehmend implementiert auf den Leitungsebenen: Dekaninnen/Dekane wurden bereits geschult, auch Pfarrer/Pfarrerinnen werden derzeit geschult und für Verwaltungsstellenleitenden ist es geplant. Die Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung muss zum Standard aller kirchlichen Mitarbeitenden werden.

Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt braucht mehr personelle Ressourcen, die fest im Stellenplan verankert werden.

Nach wie vor gibt es zu wenig Frauen auf der Leitungsebene. Es gilt gute Rahmenbedingungen und eine gute Infrastruktur zu schaffen. Frauen brauchen Ermutigung und positive Vorbilder.

Wie können wir mehr Müttern und Vätern mit jüngeren Kindern eine synodale Tätigkeit ermöglichen? Wie kann diese Personengruppe in der Synodalarbeit konkret entlastet und unterstützt werden?

– Marion Blessing 


Das war die Frühjahrssynode 2022

Neuer Bischof für die Evangelische Landeskirche

Wir gratulieren Ernst-Wilhelm Gohl zu seiner Wahl zum Landesbischof. Wir wünschen Gottes Segen für diesen Dienst. Er wurde gestern denkbar knapp mit einer Stimme Mehrheit gewählt. In der Synode hatte in einer ersten Wahl keiner der Kandidierenden die erforderliche Mehrheit erreicht. In einem zweiten Wahlvorschlag stand nur ein Kandidat erneut zur Wahl.

Wir als Kirche für morgen wissen, dass vieles aus diesem Prozess außerhalb der Synode nicht wirklich nachvollziehbar war. Das tut uns leid. Wir haben selbst sehr darunter gelitten und sehr viele Rückmeldungen dazu bekommen. Danke! Kfm will immer, dass unsere kirchlichen Prozesse zeitgemäßer und verständlicher für die Basis werden. Wir ermutigen euch alle zum Einbringen, Stimme erheben und nachfragen. Und ihr wisst ja, wo es Mitgliedsanträge gibt😉

Am Ende dieses zähen Ringens bleibt: Wir sind immer noch enttäuscht, dass unser Kandidat Gottfried Heinzmann nicht gewählt wurde. Wir halten ihn für eine profilierte und trotzdem verbindende Leitungsperson für unsere Kirche. Wir danken für seine Bereitschaft, sich der Nominierung zu stellen und wünschen ihm Segen für seinen weiteren Weg. Für die Zukunft unserer Landeskirche hoffen wir, dass Ernst-Wilhelm Gohl auch Impulse von Kirche für morgen aufnimmt und vertritt. In allen kirchlichen Herausforderungen und notwendigen Transformationen setzen wir uns weiterhin für Innovation, Veränderung und Vielfalt ein.

– Tobi Wörner


Jenseits von Eden – Friedensgebete im Blick auf Krieg und Flucht

Die aktuelle Stunde bildet einen emotionalen Höhepunkt dieser Frühjahrssynode. Diesmal gab es in der aktuellen Stunde keine Redebeiträge der Synodalen zu einem aktuellen Thema. Stattdessen versammelte sich das Gremium zum Friedensgebet v.a. natürlich in Bezug auf die Situation in der Ukraine.
Zuerst kamen Vertreter*innen aus der Ukraine, Polen, Slowakei und Rumänien zu Wort und schilderten die Situation in ihren Ländern in umfassender Weise. Danach gab es die Möglichkeit, eingebunden in eine passende Liturgie, dass jede*r im Gebet der Betroffenheit durch das Anzünden eines Friedenslichts Ausdruck verleihen konnte. Am Ende stand vor allem das „Kyrie Eleison“ – Herr, erbarme dich.

– Anja Faisst


Kirchliche Finanzen leiden unter Mitgliederverlust

Oberkirchenrat Kastrup gab bekannt, dass der durch Corona bedingte Einbruch der Kirchensteuermittel nicht so negativ und nachhaltig ausfällt wie befürchtet. Es gibt für die Kirchengemeinden zunächst also wieder mehr Geld zu verteilen. Die nun zu erwartenden Mehreinnahmen werden aber durch die derzeit hohe Inflation wieder zunichte gemacht. Besonders schwerwiegend sind die hohen Austrittszahlen, die auch 2021 angehalten haben. Matthias Vosseler ging in seinem Votum auf die Fragen von Mitgliederbindung und Taufe und Kirchenmitgliedschaft ein. Bei einer zunehmenden Zahl von nichtgetauften Kindern und Jugendlichen stellt sich die Frage, wie wir etwa im Religionsunterricht oder mit Hilfe von sozialen Medien diese Menschen mit der christlichen Botschaft erreichen.
Ausgetretene bleiben Getaufte. Wie können wir so einladend sein, dass sie wieder den Weg zu uns finden?

– Matthias Vosseler


Transformation kirchlicher Verwaltungsstrukturen

Die Organisation Kirche befindet sich aufgrund von vielzähligen Herausforderungen in einem nicht aufzuhaltenden und an vielen Stellen existenziell notwendigen Change-Prozess. Die Verwaltung kann sich diesen Prozessen nicht verschließen. Vielmehr führten alle Untersuchungen der vergangenen Jahre, sowie die Erprobung die letzten beiden Jahre zur Erkenntnis, dass kirchliche Verwaltung in der bisherigen Struktur nicht mehr zukunftsfähig sein wird. Neue Herausforderungen, die neben den bisherigen verwaltungstechnischen Aufgaben unweigerlich zu einem Kollaps führen würden. Zumal diese neuen Herausforderungen bei gleichzeitigem Fachkräfte- und Nachwuchsmangel sowie einem seit Jahren anhaltenden eruptiven Mitgliederrückgang (im Jahr 2021 waren dies 45.222 Gemeindeglieder) zu bewältigen sein werden.Nach nunmehr rund 6 Jahren der intensiven Ist-Analyse, der Beratung, der Befragung, der Beteiligung und der Erprobung stehen wir nun kurz vor der abschließenden Erarbeitung und dem Beschluss des Gesetzes zur landeskirchlich weiten Umsetzung einer dringend notwendigen Verwaltungsreform. Kirchliche Verwaltung wird ihren Beitrag leisten, diesen Change-Prozess zu begleiten und zu ermöglichen. Die landeskirchliche Trägerschaft ermöglicht mittel- und langfristig modulare Anpassungen. Eine Transformationsfrist von bis zu 10 Jahren sowie ein individueller und empathischer Blick auf die bisherigen Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer ist hierbei unumgänglich.

– Kai Münzing


Klima- und Umweltschutz in der Landeskirche fördern – das 1000 Dächer Programm

Wir haben den Antrag „1000 Dächer-Programm“ eingebracht. Darin wird der Oberkirchenrat gebeten, ein Konzept auszuarbeiten für ein Förderprogramm, in dem 1000 Photovoltaik-Anlagen auf Kirchengebäuden oder die Sanierung von klimatisch sehr belastenden Heizungsanlagen realisiert werden. Dieses Konzept soll auch die Beratung der Kirchengemeinden über die Möglichkeit weiterer Fördertöpfe beinhalten. Weiter wird in dem Antrag der OKR darum gebeten eine Initiative der Landeskirche auf politischer Ebene erneut aufzunehmen oder zu starten, um steuerrechtliche, baurechtliche und denkmalschutzrechtliche Probleme aus der Welt zu schaffen. Ein Motto könnte dabei lauten: „Klimaschutz vor Denkmalschutz!“

– Bernd Wetzel


Ein neuer Bischof für Württemberg

Wir gratulieren Ernst-Wilhelm Gohl zu seiner Wahl zum Landesbischof. Wir wünschen Gottes Segen für diesen Dienst.

Er hat sich heute denkbar knapp mit einer Stimme Mehrheit durchgesetzt. Bei der Synodaltagung hatte in einer ersten Wahl keiner der Kandidierenden die erforderliche Mehrheit erreicht. In einem zweiten Wahlvorschlag stand nur ein Kandidat erneut zur Wahl.

Wir als Kirche für morgen wissen, dass vieles aus diesem Prozess außerhalb der Synode nicht wirklich nachvollziehbar war. Das tut uns leid. Wir wollen, dass unsere kirchlichen Prozesse zeitgemäßer und verständlicher für die Basis werden. Für die Zukunft unserer Landeskirche hoffen wir, dass Ernst-Wilhelm Gohl auch Impulse von Kirche für morgen aufnimmt und vertritt. In allen kirchlichen Herausforderungen und notwendigen Transformationen setzen wir uns weiterhin für Innovation, Veränderung und Vielfalt ein.

Kirche für morgen, 19.03.2022

Bild: Gottfried Stoppel