Rückblick auf die Herbstsynode 2024

Zum PfarrPlan 2030

Spätestens mit den Einschnitten des PfarrPlans 2030 ist dieser nicht mehr isoliert zu betrachten.

Durch die großen Reduzierungen des Pfarrdienstes in den vergangenen Jahren und mit Blick auf die Kürzungen mit dem PfarrPlan2030 wirkt dieser in vielfältiger Weise auf Kirchen- und Gemeindeentwicklung sowie auf die Aufgaben und die Rollen, in der der Pfarrdienst künftig zu stehen haben wird. 

So sind Modelle hinsichtlich regio-lokaler und distriktübergreifender Lösungen, Auswirkungen von Fusionen, Dekanatspläne mit annähernder Landkreisschärfemultiprofessionelle Teamstrukturen und Transformationsstellen in ganz anderer Weise wie in den Jahren zuvor in den Blick zu nehmen.

Dem Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung kann entnommen werden, in welchen Kontexten der PfarrPlan zu denken ist und wie sich dadurch auch Gemeinden und Rollenverständnisse verändern werden müssen. 
Ich denke, dass die Transformationsstellen deutlich besser sind oder besser sein können als deren vorauseilender Ruf! Ebenfalls ist es interessant, den Ausblick und die Chancen der „multiprofessionellen Teams“ wahrnehmen zu können. 
Kirche für morgen hat hier in einer vielfältigen Weise zitronenfrische, transformelle und milieusensible Gemeindeentwicklungsprozesse angestoßen und im Bild gesprochen „dicke Bretter“ gebohrt. 

– Von Kai Münzing


Ein Blick auf die Christen weltweit

Einmal im Jahr wird über die Situation der Christen in der Welt und über den weltweiten Leib Christi berichtet.
Auch wenn hier nicht von systematischer Christenverfolgung gesprochen werden kann, haben Christen in vielen Bereichen des Lebens Nachteile. 
 
Im Ostkongo wird im Krieg Vergewaltigung als Mittel eingesetzt, die Übergriffe nehmen seit Jahresbeginn wieder zu.
Die Verletzungen der Menschenrechte wirken sich auch auf die Religionsfreiheit aus.
Kirchliche Gruppen können versuchen, im Streit marodierender Gruppen zu schlichten.
 
Sudan: Im Sudan gibt es 5 % Christen bei über 90 % sunnitischer Muslime. Der Sudan verzeichnet zwei traurige Rekorde: die größte Flüchtlingswelle der Gegenwart und die größte humanitäre Krise der Welt aufgrund von Hungersnöten.
Auch dieser Krieg ist kein Religionskrieg, sondern eine innermuslimische Angelegenheit. Für den Schutz der wenigen Christen tritt aber niemand ein. So werden immer wieder Kirchen zerstört.
Wichtig ist für uns, dass wir neben Gebet und finanzieller Unterstützung den Austausch mit den Christen aus anderen Ländern suchen, was technisch heute leicht möglich ist.

-Von Matthias Vosseler


Trauung gleichgeschlechtlich liebender Ehepaare

Bei Tagesordnungspunkt 15 beriet die Landessynode zum Thema Trauung gleichgeschlechtlich liebender Ehepaare. Als Vorsitzender des theologischen Ausschusses setzte sich Hellger Koepff dafür ein, die aktuell geltende Präambel so zu erweitern, dass deutlich wird, welche beiden unterschiedlichen Eheverständnisse in unserer Kirche existieren und legte dafür ein Arbeitspapier vor. Danach berichtete Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider von der Arbeit in der von Landesbischof Gohl im Frühjahr eingesetzten synodalen Arbeitsgruppe. Er wies vor allem auf die christologische Mitte hin. An der Arbeitsgruppe haben von Kirche für morgen Matthias Vosseler und Anja Faißt mitgewirkt. 

In der Aussprache sprach sich Matthias Böhler für die bisherige Regelung aus mit der Perspektive der Weiterentwicklung. Anja Faißt zeigte die Schwächen der aktuellen Regelung anhand eines praktischen Beispiels auf und setzte sich dafür ein, dass die Synode noch in dieser Periode einem neuen Gesetzesentwurf für die Trauung für alle zustimme. Auch Matthias Vosseler zeigte auf, dass man jetzt noch ein Jahr Zeit habe, um konstruktiv an einem Gesetzesentwurf zu arbeiten, der unterschiedliche Eheverständnisse nebeneinander stehen lassen könne.

Im abschließenden Wort des Landesbischofs zeigte Ernst-Wilhelm Gohl auf, dass die kirchliche Trauung in einer Krise stecke, da sie auch von heterosexuellen Paaren nicht mehr unbedingt als Normalfall wahrgenommen werde. Er wies darauf hin, dass die Trauung gleichgeschlechtlich liebender Menschen die kirchliche Trauung als Kasualie stärken könnte und er daher gemäß des Beschluss im Rechtsausschuss eine Arbeitsgruppe im Oberkirchenrat einsetzen werde. Laut Landesbischof Gohl hat die Arbeitsgruppe das Ziel, bis zur Sommersynode 2025 einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Trauung gleichgeschlechtlicher Ehepaare ermöglicht.

– Von Anja Faißt


Kirche in der Krise: Reformen dringend notwendig

In seiner engagierten Haushaltsrede beschreibt Götz Kanzleiter die prekäre finanzielle Lage der Württembergischen Landeskirche. Die Kirche stehe vor enormen Herausforderungen und müsse drastische Einsparungen vornehmen, während gleichzeitig neue Wege beschritten werden müssen. Kanzleiter betonte, dass es nicht ausreiche, kleine Anpassungen vorzunehmen; es sei an der Zeit, grundlegende Reformen durchzuführen.

Ein zentraler Punkt seiner Rede war die Notwendigkeit, bestehende Konzepte und Angebote zu überdenken und gegebenenfalls zu streichen, um die Wirksamkeit der Kirche zu erhalten. Er zog einen Vergleich zur Automobilindustrie, die trotz gravierender Einschnitte weiterhin Innovationen vorantreiben muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Kanzleiter hob hervor, dass die Kirche der Zukunft von Ehrenamtlichen getragen wird und dass die Förderung und Ausbildung dieser Freiwilligen von entscheidender Bedeutung ist. Zudem müsse die Kirche näher bei den Menschen sein und sich auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft konzentrieren.

Besonders wichtig sei es, in die nachfolgende Generation zu investieren, da Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Schlüssel für die Zukunft der Kirche sind. Die Ausbildung und Qualifizierung von Mitarbeitenden, die mit diesen Zielgruppen arbeiten, habe höchste Priorität.

Abschließend forderte Kanzleiter die Synode und die Kirchenleitung im Oberkirchenrat auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und signifikante Einsparungen und Personalkostenreduzierungen vorzunehmen. Konkret brachte er die Reduzierung von kirchenleitenden Dezernaten, die Abschaffung der Prälatinnen- und Prälaten-Posten ins Gespräch. Die Zeit sei reif für mutige Schritte hin zu einer zukünftigen Kirche, die mit ihren Ressourcen nachhaltig umgeht und gleichzeitig neue Wege wagt. Am Ende seiner Rede zitierte er Fulbert Steffensky: „Ich hielte es tatsächlich für eine Sünde, in der Krise nicht so zu planen, als ob „die Kirche nicht jung ist und ihre große Zukunft noch vor sich hat“

– Von Götz Kanzleiter


Einblick in die Andacht von Ralf Walter

„Manche wünschen sich umgeben von Kirchenglocken-Geläut zu leben. Ich möchte lieber einen Rettungsladen betreiben, einen Meter von der Hölle entfernt.“

Mit diesem Mindset hat sich der englische Missionar Charles T. Studd vor über 100 Jahren aufgemacht. Zu einer Zeit, in der man es sich in unseren Kirchen noch gemütlich machen konnte.

In meiner Andacht am Freitagabend in der Herbstsynode forderte ich uns als Synodale und als Kirche heraus, uns auch aufzumachen. Raus aus unseren Kirchen, in denen es schon lange nicht mehr gemütlich ist. Raus an die Ränder. Raus zu den Menschen. Einfach da sein und das tun, wozu Christus uns beruft:

Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt 5, 16)

– Von Ralf Walter



Lauf, Pinguin, lauf! 

Ein Pinguin kann sich an Land fortbewegen, das klappt. Aber haben Sie ihn schon mal beim Schwimmen beobachtet? Absolut kein Vergleich!  

Jede und jeder von uns hat, biblisch gesprochen, besondere Gaben und Fähigkeiten: werden diese eingebracht und gelebt, ist das wie beim Pinguin im Wasser. Niemand will doch wie der Pinguin am Land tapsig rumstolpern, weil wir Dinge tun müssen, die wir zwar irgendwie hinbekommen, für die wir aber nicht gemacht sind. Deshalb sind wir als Teams zusammengestellt: Wir ergänzen und bereichern uns gegenseitig.  

Das gilt für alle Haupt- und Ehrenamtlichen gleichermaßen. Niemand kann alles, egal welches Amt er oder sie in unserer Kirche bekleidet. Nimmt man diesen Gedanken ernst, ist die zentrale Rolle des Pfarramtes in unserer Kirche ein Problem. Die multiplen Anforderungen müssen zwangsläufig in die Überforderung führen. Andere Menschen kommen dagegen nicht zum Zug mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten. Übrigens können wir schon in Epheser 4 von verschiedenen Fähigkeiten lesen: da werden Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer aufgezählt. Sie haben unterschiedliche Begabungen. Was sie eint, ist das gemeinsame Ziel: Die Gläubigen zu befähigen für ihren Dienst. Sie sollen nicht alles selber machen, sondern die Christen dazu in die Lage versetzen, ihren Glauben zu leben. Heute nennt man das Empowerment. Luther sprach vom Priestertum aller Gläubigen. 

Wie gelingt das? In Epheser 4 heißt es „bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren. … Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält.“ Sprich: Einander zugewandt und verbunden sein, sich nicht auf Kosten anderen aufspielen und für noch wichtiger halten. In Demut die eigene Rolle annehmen und nicht um der Macht willen überall mitmischen wollen – und sich an dem freuen, was andere können und was ihnen gelingt.  

Autonomy, Mastery, Purpose (deutsch: Eigenständigkeit, Können und Sinnhaftigkeit) – mit diesen drei Stichworten beschreibt Daniel Pink die wesentlichen Aspekte, die Menschen motivieren. Etwas eigenverantwortlich tun zu dürfen, das eigene Können ins Werk zu setzen und weiterzuentwickeln und schließlich einen Sinn erleben bei dem, was man tut. Für die Kirche der Zukunft brauchen wir genau das. Menschen, die sich nicht als Handlanger und Lückenbüßer erleben – egal ob Haupt- oder Ehrenamtliche – sondern die Gaben leben, die ihnen von Gott geschenkt sind: mit Verantwortung, Können und Sinn. Ganz im Sinne von Epheser 4. 


Autoren:
Andreas Arnold und Matthias Bredemeier
Vorsitzende von Kirche für morgen

Burnout als Risiko in der Teamarbeit 

…und plötzlich läuft es in der Kirchengemeinde nicht mehr wie gewohnt, weil eine:r im Team wegen Burnout auf unbestimmte Zeit fehlt. Dieses Ereignis kennen viele ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter:innen aus dem eigenen Gemeindeleben. Doch wie kommt es dazu? Und vor allem: Kann man etwas dagegen unternehmen? 

Die Sache auf den Grund gehen 
Bei der Entstehung eines Burnouts treffen immer äußerliche Belastungen mit der inneren Haltung einer Person zusammen (siehe Abbildung 1). Aus dem Aufeinandertreffen dieser Faktoren entstehen Enttäuschungen. Diese steigern die persönliche Belastung. 

Nun: Was fördert die eigene Gesundheit und Widerstandskraft im Auf und Ab unseres Lebens? Die Forschung hat eine ganze Reihe von sog. Resilienzfaktoren ausgemacht. Dabei ist Resilienz die Widerstandsfähigkeit in den Widrigkeiten des Lebens.  

Zu diesen Resilienzfaktoren gehört die Empathie, also das Einfühlungsvermögen. Das haben wir im besten Fall zunächst in uns selbst. Wir können die eigenen Gefühle spüren, sie körperlich sowie sprachlich ausdrücken können und schließlich lernen, sie zu regulieren. Oder wie schon M. Luther sagte: „Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Sorge über deinem Haupt kreisen, aber du kannst dafür sorgen, dass sie nicht Nester in deinen Haaren bauen.“ Ein wichtiger, aber eher unbekannter Resilienzfaktor ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Dabei kommt es nicht auf eine objektive Wirksamkeit an, sondern darauf, dass ich überzeugt bin, dass ich wirksam bin. Ob ich diese Wirksamkeit im beruflichen oder im ehrenamtlichen oder privaten Feld erlebe, ist dagegen nicht so wichtig.  

Resilienz hat damit zu tun, Unterschiede machen zu können, vor allem, wenn ich auf Beschränkungen treffe, die das Leben mir zumutet, und nach Erfahrungen des Scheiterns. Hier geht es um zweierlei: Erstens sollte man unterscheiden, worauf ich Einfluss habe und worauf nicht, um sich mit verbindlichem zu arrangieren. Deshalb wird dieser Punkt auch häufig Akzeptanz genannt. Nach Erfahrungen des Scheiterns gilt es zweitens, resilient statt depressiv zu reagieren: Ich übernehme die Verantwortung für meinen Teil am Scheitern und vertraue darauf, dass es beim nächsten Mal besser gehen wird. 

Zu den eher bekannteren Resilienzfaktoren zählen die Fähigkeit, soziale Netzwerke zu unterhalten und sich an ihnen zu beteiligen: Familien, Freundschaften, ehrenamtliche Arbeit und Teilhabe am Gemeinwesen kann resilient machen. 

Auch gelebte Spiritualität schützt: zu glauben und zu erleben, dass man zu etwas Größerem gehört, zu Gott und zur Menschheit. Genauso zählt realistischer Optimismus zu den Resilienzfaktoren, Betonung auf realistisch. 

Ist Prävention das A und O? 

Äußere Umstände allein machen nie einen Burnout. Der passiert nur in Kombination mit der mangelnden inneren Fähigkeit die äußere Belastung zu bewältigen. Insofern können Verbesserungsvorschläge für die Ausbildung nur das Risiko mindern. Sicher könnte man an der Ausbildung immer wieder vieles ändern. Das geschieht auch. Dennoch kann man nicht verhindern, dass auch die nächste Generation mit ihren eigenen Themen in Krisen und Burnout geraten kann. Viel wichtiger ist dagegen, dass Menschen Bewältigungsmechanismen lernen, die den Resilienzfaktoren entsprechen. Die Forschung hat nämlich nachgewiesen, dass exakt dieselben äußeren Umstände eben manche in den Burnout treiben und andere überhaupt nicht. Das gilt für hauptamtlich arbeitende Menschen ebenso wie für ehrenamtlich Arbeitende. 

Hinweise gegen die Burnout-Spirale 

  • Multitasking vermeiden. 
  • Feste Zeiten für E-Mail-Bearbeitung, Sprech- und Lesezeiten einrichten. 
  • Mit mir selbst und anderen Menschen wertschätzend statt abwertend reden. 
  • Mit Zeitmanagement-Methoden den Zeitdruck mindern. 
  • „Nein“ sagen lernen. 
  • Fehler wohlwollend unter die Lupe nehmen: Welche Erkenntnisse könnte ich daraus gewinnen? 
  • Rollenerwartungen überprüfen. Widersprüchliche Rollen bringen konträre Erwartungen mit sich. Das führt zu hohem Stress: Vorgesetzte:r und Seelsorger:in für dieselbe Person sein zu wollen, ist oft unmöglich! 
  • Unklare Zielvorgaben in klare Vorgaben verwandeln. 
  • Überforderung mir selbst eingestehen und entsprechende Aufgabe abgeben. 
  • Unterforderung und zu viel Routine mit den Kollegen besprechen. Das Team sollte neue Herausforderungen definieren. 
  • Mich von zu hohen Idealen verabschieden, indem ich ein Teil meines Gehaltes als Schmerzensgeld verstehe.  
  • Überstunden mit gutem Gewissen abfeiern! 
  • Meine Beziehung zu Gott und mein soziales Netzwerk pflegen. 
  • Konflikte und Kritik immer face-to-face, niemals schriftlich oder digital. 
  • Zeit für mich allein nehmen, abgesehen von Freund:innen, Hobbies, usw.  
  • Mir regelmäßig und ehrlich die Frage stellen: Fühle ich mich gerade wohl? 
  • Mich für eine gute Sache engagieren
  • Sport so betreiben, dass ich meinen Körper spüre. 
  • Eine Entspannungsübung wählen, die ich auch in Stresszeiten durchführen kann. 
  • Hilfe annehmen. 
  • Jemanden lieben. 
  • Humor kann vermeiden, dass manche Dinge nicht todernst werden und uns im Übermaß frustrieren. 

Autorin:
Dr. Dagmar Kreitzscheck

Team Works in der Christ Church Spitalfields

Ich (Tobias Stippich) habe nach meinem Abitur ein Jahr in London in der Christ Church Spitalfields in Ostlondon verbracht. Die Teamarbeit dort hat mich sehr fasziniert. Mit Pfarrer Darren Wolf spreche ich darüber, was wir von ihnen lernen können.  

Darren, stell uns deine Gemeinde erst einmal vor. 

Wir gehören zur anglikanischen Kirche und haben ungefähr 300 aktive Gemeindemitglieder, die zwei verschiedene Gottesdienste besuchen, einen morgens um 11 Uhr und einen speziell für Menschen unter 25 abends um 17 Uhr. Wir haben einen weiteren Pfarrer und insgesamt 18 Hauptamtliche in der Gemeinde. Die meisten davon kümmern sich um das Gebäude.  

Die meisten kümmern sich um das Kirchengebäude? 

Ja, so läuft das bei uns. Wir betreiben nämlich auch ein Event-Business, das unseren Kirchenraum für private Feste, Firmenfeiern oder auch Konferenzen vermietet. Das finanziert die kompletten Ausgaben für das 300 Jahre alte Kirchengebäude.  

Welchen Hintergrund haben die verschiedenen Mitarbeitenden?  

Alle im Leitungsteam haben eine theologische Ausbildung. Nicht alle haben darin einen Abschluss oder ein extra Studium absolviert, aber zumindest einen Kurs an der Hochschule besucht. Die Leute, die für uns arbeiten, kommen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen. Sie haben oft davor etwas ganz anderes gemacht und dann gemerkt, dass sie gerne für eine Kirchengemeinde arbeiten wollen.  

Welche Rolle kommt Ehrenamtlichen zu? 

Bei uns arbeiten pro Monat ungefähr 140 Menschen ehrenamtlich in unterschiedlichen Bereichen mit: Gemeindearbeit, Finanzen, Personal, gemeinnützige Aktionen wie unsere Arbeit mit Obdachlosen und Glaubenskursen. Ganz ähnlich wie der Kirchengemeinderat bei euch haben wir einen „church council“, der gewählt wird. Viele Leitungsaufgaben liegen allerdings rein praktisch dann doch bei mir als Pfarrer. Wir versuchen allerdings so gut es geht, Menschen, die nicht ordiniert sind, in jeden Bereich der Gemeinde einzubinden. Deshalb haben wir insgesamt 58 ehrenamtlich Leitende in der Gemeinde, die etwa unsere Hauskreise oder andere Bereiche unserer Gemeinde verantworten. Für deren Ausbildung bieten wir regelmäßig Workshops an. 

In einer Stadt wie London gibt es so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Wie motiviert ihr Menschen? 

Ich habe zwei Tipps für euch. Erstens: Wenn du möchtest, dass Menschen sich in deiner Gemeinde einbringen, dann musst du zuerst in deine eigene spirituelle Entwicklung investieren. Es geht um simple Sachen wie Beten und Bibellesen. Aber auch darum, vorzuleben, was es bedeutet, Christin oder Christ zu sein. Wenn du es nicht vorlebst, warum sollten andere Menschen so leben wollen? Das zweite ist, dass Gemeinden sich nur weiterentwickeln, wenn Leitende Verantwortung delegieren können. Da geht es nicht nur um Aufgaben wie die Lesung im Gottesdienst oder den Kaffeedienst. Es geht darum, Verantwortung abzugeben für wichtige Aufgaben und Bereiche. Dabei sollen Menschen ihre eigenen Erfahrungen und Fehler machen dürfen. 

Was ist dein größtes Learning, wie man Menschen motivieren kann, mitzumachen? 

Ich habe zwei Learnings. Erstens: Es ist sehr schwer, Menschen zur Mitarbeit zu motivieren. In London bemerken wir besonders, wie individualistisch Menschen unterwegs sind und wie stark auch Religion als Konsum verstanden wird. Leute kommen in unsere Gottesdienste und erwarten, dass sie etwas konsumieren können. Da reicht es nicht zu sagen: „Hey, hast du Lust hier mitzuhelfen?“ Sondern man muss auch erklären, warum unsere Gemeinde eine Mitmachgemeinde ist und sich als große Familie versteht, die mehr als nur abspielbares Programm bietet. Und zweitens: Menschen sind auf einem Weg mit unterschiedlichen Startpunkten. Wir stehen deshalb nie vorne und sagen: „Wir brauchen unbedingt Mitarbeiter, damit es auch weiterhin Kaffee vor unseren Gottesdiensten gibt.“ Druck und Zwang mag niemand gerne. Deshalb sind wir immer mit einzelnen im Gespräch und suchen einen passenden Platz für sie, mit dem sie sich wohlfühlen: „Du liebst doch Kaffee. Wäre es nicht eine coole Idee, Menschen Kaffee zu servieren? Magst du das mal ausprobieren?“.  

Vielen Dank dir, Darren, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.  


Autor: Tobias Stippich 
Mitglied im Redaktionsteam 

Theresa Brückner: Loslassen, Durchatmen, Ausprobieren 

Sieben „Todsünden der Kirche“ stellt die Autorin in ihrem Buch auf und präsentiert jeweils eine konstruktive Gegenthese, in der sie ihren Traum von Kirche zeichnet. Im Kap. 3 bedauert sie z.B. den „Überlastungsstolz“ vieler Hauptamtlichen, insbesondere in der Boomer-Generation. Sie wirbt dagegen für eine Kultur der Achtsamkeit. Die Berliner Digitalpfarrerin berichtet aus der eigenen Praxis, bei der sie alle Formate auf den Prüfstand stellt: Sind sie wirklich zielgruppenorientiert? Sie erzählt, wie sie z.B. einen Gottesdienst mit Jugendlichen radikal neu konzipierte (Kap. 2). Sie zeigt auf, wie Kirche nicht nur für die üblichen Verdächtigen da ist (Kap. 4) und wünscht dabei eine ganze Bandbreite an Mitgliedschaftsformen. Anstatt im Hintertreffen zu landen, sollte die Kirche eine Vorbildrolle der Kirche in der Gesellschaft übernehmen (Kap. 5). Schutzmaßnahmen gegen sexualisierte Gewalt stellen für sie keine Nebensache dar, sondern sind ein fester Bestandteil der kirchlichen Arbeit (Kap. 6). Zum Schluss ist Kap. 7 eine wahre Fundgrube mit Tipps für Influencer. Ein Buch zum Wachrütteln! 


Autor:

Blaise Gourget 
Mitglied im Redaktionsteam des Zitronenfalters 

Rückblick auf die Sommersynode 2024

„Herberge der Mündigkeit“ – Ja, aber wirklich.

Von einer „Herberge der Mündigkeit“ sprach Landesbischof Gohl in seinem Bericht zur Kirche der Zukunft und davon, dass Kirchenmitglieder als Teil einer solchen nicht länger Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger kirchlicher Zuwendung sein sollen, sondern vielmehr mündige Mitgestalterinnen und Mitgestalter einer kleiner werdenden Kirche sein dürfen.

Britta Gall forderte in ihrem Votum zu seinem Bericht, dass diese Mündigkeit ernsthaft ermöglicht wird. Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen zum Mitgestalten bleiben. Die Mündigkeit der Ehrenamtlichen muss nicht nur ermöglicht, sondern rechtlich abgesichert werden. Dazu muss wo nötig, auch Kirchenrecht und -verfassung geändert werden.

– Von Britta Gall


Sparen ist angesagt

Finanzthemen standen im Mittelpunkt des Samstagvormittags. Der Oberkirchenrat hat eine Strategie vorgestellt, wie wir die Versorgung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der Kirchenbeamten und -beamtinnen im Ruhestand sicherstellen können. Wegen einem fehlenden Deckungskapital von ca. 1 Mrd. Euro schlägt der Oberkirchenrat deshalb vor, in den kommenden Jahren jährlich 129 Mio. Euro im Haushalt einzusparen.

Für den Gesprächskreis Kirche für morgen machte Matthias Böhler in seinem Gesprächskreis-Votum klar, dass wir die Notwendigkeit dieser Einsparungen sehen. Gleichzeitig halten wir aber eine grundsätzliche Diskussion über Systeme und Strukturen für dringend notwendig. „Eine Kirche, die von der Basis gebaut wird, braucht keinen Staatsapparat. Sie kommt mit weniger Bürokratie und weniger Verwaltung aus und braucht deshalb keine Beamte. Die Kirche der Zukunft ist eine Ehrenamtskirche.“, so Matthias Böhler. Für Kirche für morgen ist es wichtig, dass auch in zukünftigen Haushalten Freiräume für Projekte und neue Aufbrüche vorhanden sind, um auf aktuelle Veränderungen in der Gesellschaft eingehen zu können – für eine Kirche nahe bei den Menschen. Bei allen Diskussionen um Einsparungen hat für Kirche für morgen die Investitionen in Menschen Vorrang vor teuren und prestigeträchtigen Häusern. Außerdem ist uns die Förderung des Ehrenamts und Investitionen in die Jugendarbeit wichtig. 

-Von Matthias Böhler


Und der viele Sand im Getriebe

Der Vorsitzende des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung und Kfm-Synodale Kai Münzing stellt Folgendes fest: „Die Verwaltungsstrukturreform ist alternativlos und gleichzeitig stelle ich dennoch die Frage, wie weit wir an vielen Stellen Meilenweit von der eigentlichen Vision einer zukunftsfähigen und zugleich dienenden Verwaltung weg sind?!“ 
„Wir brauchen keine VerhinderInnen, sondern kreative LösungsfinderInnen und ChancemanagerInnen“, so Kai Münzing weiter. 

– Von Kai Münzing


Was Kfm einbrachte

Bei der Sommersynode haben wir vier Anträge eingebracht: Einen Antrag zur „Entwicklung neuer Konzepte für eine wirtschaftliche Immobiliennutzung“ (Oliver), einen Antrag zur „Stärkung des Dienstes von Prädikantinnen und Prädikanten“ (Kai) und einen Antrag zur „Konfirmation bei Nichtteilnahme am Religionsunterricht“ (Marion). Auch haben wir nach den Rückmeldungen zur letzten Bischofswahl einen Antrag eingebracht, um die nächste Bischofswahl anders zu regeln (Matthias). Wir schlagen z. B. vor, dass man zukünftig nach dem dritten Wahlgang auf eine 2/3 Mehrheit verzichtet und es dann reicht, den Landesbischof mit der Mehrheit aller Synodalen zu wählen. 

– Von Oliver Römisch


Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen

Hier ein kurzer Auszug aus der Andacht von Götz Kanzleiter, die er am Freitagvormittag im Synodalplenum halten konnte:

Das Wort des Paulus aus Gal. 6,2 erinnert daran, dass wir nicht allein leben. Gott hat uns als Beziehungswesen geschaffen. Es ist unsere schöpfungsgemäße Bestimmung, füreinander da zu sein, dazu gehört das Mit-Tragen an der Last des anderen und der anderen. Und genauso gehört dazu das Mit-Getragen-Werden durch andere. 

Im zweiten Teil des Verses steckt ein genialer Zuspruch. Ich bin nicht allein, egal was kommt. Gottes Plan rechnet mit Gemeinschaft. Es gibt jemanden, der mich trägt, der mitträgt… auch wenn bei mir nichts mehr geht. Eine himmlische Vision vom Zusammenleben, ein Traum- Raum für gelingendes Leben.

Das Gesetz Christi ruft uns in die tragende Gemeinschaft von Mann und Frau, von Partnerinnen und Partner, von Brüdern und Schwestern, von Eltern und Kindern, von Alt und Jung, von Nachbarn und Fremden, in Dorf und Quartier. 

Und erkennen, wie zutiefst menschlich, wie tragfähig und wie wunderbar dieses Gesetz Christi ist. Er trägt als erster und letzter mit an unseren Lasten. Gott sei DANK. 

– Von Götz Kanzleiter



Rückblick auf die Frühjahrssynode 2024

Jugend zählt!

Wenn Kinder und Jugendliche die Zukunft und die Gegenwart der Kirche sind, dann müssen wir heute aktiv werden und handeln.

Eine Vielzahl von Haupt- und Ehrenamtlichen setzen sich mit viel Engagement, Herzblut und Zeit für die Interessen von Kindern und Jugendlichen ein. In den Gruppen der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit ist jede Person willkommen, wertgeschätzt und von Gott angenommen. Sie bieten damit eine Alternative zu Angeboten des Leistungsdenkens und der Selbstdarstellung.
Junge Menschen brauchen Orte, um ihrer Spiritualität und ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen. Sie brauchen Freiräume für geistliche Aufbrüche.

Wie kann die Kinder- und Jugendarbeit finanziell und personell gefördert werden?

– Von Marion Blessing


Komm, lass uns aufbrechen

Ein Vormittag mal anders unter dem Titel ‚Kommt, lasst uns aufbrechen, wie junge Menschen Glauben finden und erleben‘. Es wurde gesungen, getanzt und gelacht. 

Dr. Patrick Todjeras stellte die Frage: Wie finden junge Menschen heute zum Glauben?
Eine Zuwendung hat dann stattgefunden, wenn religiöse Fragen aus den Randlagen des Lebens in die Mitte rücken. Zentral dabei sind Beziehungen. Dies geschieht heute immer mehr durch Kontakte in sozialen Medien wie Instagram oder TikTok.
Prof. Wolfgang Ilg betonte die Bedeutung der Konfirmandenarbeit, die in der Biografie eines jungen Menschen eine herausragende Rolle spielt. Zudem finden fast alle Taufen außerhalb von Kindertaufen in der Konfirmationszeit statt. Er stellte die provokante Frage: Warum nicht einmal an einem Sonntag statt einem aufwendig gestalteten Gottesdienst ein Pizzaessen mit einer früheren Konfi-Gruppe machen?

Nach einigen vertiefenden Workshops gab es zum Abschluss noch Musik von jungen Menschen wie der Gruppe 3S und Stefan Bleher mit Band.

Komm Synode und brich in die Lebenswelt der jungen Menschen auf.

– von Matthias Böhler


Höchste Zeit!

Mit der ForuM-Studie stand die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und Missbrauch an erster Stelle der Tagesordnung der Frühjahrssynode.

Am Freitagmorgen stand die ForuM-Studie im Mittelpunkt. Im Vorfeld hatten wir am Vorabend der Synode bereits ein Gespräch mit einer betroffenen Person von sexualisierter Gewalt im Heimkontext. Dieses Gespräch war geprägt von viel Offenheit, neuen Erkenntnissen und klaren Erwartungen an die Evangelische Kirche in Württemberg.

Gleichstellungsbeauftragte Ursula Kress zeigte am Freitag dann auf, dass die Prävention, Intervention und Aufarbeitung durch die ForuM-Studie bestärkt werden. Hier sagte sie, dass vor allem die theologische Reflexion unerlässlich ist. Des Weiteren stellte Thomas Großbölting als beteiligter Historiker die wesentlichen Erkenntnisse der Studie dar. Wichtig war hier, dass klerikale Macht im System der evangelischen Kirche und einen Zwang zur Harmonie (Geschwisterlichkeit, Sündenvergebung) sexualisierte Gewalt begünstigt und vertuscht.

Der Tagesordnungspunkt wurde abgeschlossen durch eine gemeinsame Stellungnahme von Synode und Oberkirchenrat, die Synodalpräsidentin Sabine Foth verlas.

– Anja Faißt


Das Geld wird knapper: strategische Finanzplanung in der Landeskirche

Auf der Tagesordnung der Synode stand auch die Festlegung der finanziellen Eckwerte für die nächsten 5 Jahre. Die Eckwerte sind eine Planungshilfe für Kirchengemeinden, Kirchenbezirke und die Landeskirche für die Haushaltspläne und Finanzen. 

In diesem Jahr wurde es bei der ganzen Diskussion um die Eckwerte spannend, weil der Oberkirchenrat zusammen mit den Eckwerten eine Strategie zur Deckung der Pensionsbezüge der PfarrerInnen und KirchenbeamtInnen eingebracht hat. Hier wurden uns Zahlen vorgestellt, die einen Schwindeln lassen. Die Landeskirche muss die nächsten Jahre Millionen an Euro einsparen und auf der anderen Seite Millionen in ein Pensionssparschwein legen. Verständlich deshalb der Zwischenruf: „Haben wir als Kirchenleitung etwas verschlafen und über unsere Verhältnisse hinaus gelebt“? 
Wir müssen umsteuern – so die Vorgabe. Wir wollen nicht Belastungen, Schulden und ungelöste Aufgaben an die nächste Generation weitergeben. Sondern eine solide Haushaltsstrategie auf den Weg bringen. Eine sehr schöne Idee und große Herausforderung, die zu den anderen Herausforderungen, die wir als Landeskirche im Moment haben, noch hinzukommt. Klar ist, dass die Pensionsverpflichtung gegenüber unseren PfarrerInnen und Kirchenbeamten besteht und eingehalten werden muss. Aber immer deutlich wird auch, dass das sehr hohe Pensionsniveau, das wir in Württemberg haben, auf Dauer nicht gehalten werden kann. Bei der ganzen Diskussion haben wir viele Fragen und hoffen, dass die Fragen, die wir gestellt haben, dabei helfen, einen guten Weg zu einer nachhaltigen Versorgungsstrategie zu finden. 
Einige Fragen von uns waren:

  • Ist der Weg, ein Finanzvermögen (Pension, Sparbüchse) aufzubauen, der richtige?
  • Gibt es noch weiter Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um die Belastung zu verringern?
  • Müssen die württembergischen Pensionen an die staatlichen Pensionen und deren Anstieg angepasst sein und muss Württemberg die höchsten Pensionen bezahlen? 

Wie könnte die Zukunft aussehen? Vielleicht müssen wir den Einstieg zum Ausstieg der Beamtenanstellung wagen.

– Von Reiner Klotz


Alternative Qualifizierungsmodelle für den Religionsunterricht

Die 6. Kirchenmitgliedsschaftsuntersuchung hat uns vor Augen geführt, dass der Religionsunterricht nachhaltige und prägende Spuren hinterlässt. Wir brauchen möglichst viele personelle Ressourcen für den evangelischen Religionsunterricht und damit verbunden die Entwicklung alternativer Qualifizierungsmodelle für den Religionsunterricht. Wie gewinnen wir Menschen, die das Fach Religion gerne unterrichten?
Hier der Antrag von Kirche für Morgen mit der Zielrichtung den Reliunterricht weiter zu stärken:

– Von Marion Blessing


Anja Faißt, Götz Kanzleiter, Marion Blessing, Matthias Vosseler, Reiner Klotz, Tobi Wörner, Matthias Böhler, Andreas Arnold (Kfm Vorstand) und Britta Gall.
Nicht abgebildet sind Oliver Römisch, Ralf Walter, Bernd Wetzel und Kai Münzing.



Brave New Church – das war unser Forum 2023

Am 21. Oktober war es so weit: Das erste KFM-Forum nach der Corona-Pandemie hat in Kleinsachsenheim stattgefunden!

Zunächst konnten die Teilnehmer:innen durch den fundierten Vortrag von Peter Burkowski nachvollziehen, wie die Gestalt und Struktur unserer parochialen Kirche erst im 19. Jahrhundert entstanden sind: Durch die Landflucht und Verstädterung war die Verteilung der Kirchenmitglieder in Ungleichgewicht geraten. Um die pastorale Begleitung der Mitglieder – insbesondere in den Städten – zu garantieren, verteilten die Kirchenleitungen die Pfarrstellen nach dem parochialen Prinzip. Burkowsi hob außerdem hervor, dass der heutige Normalfall der „generalistischen Kirchengemeinde“ (in einer Gemeinde gibt es Angebote für alle mögliche Zielgruppen) in der Bismarck’schen Zeit entstand: Analog zu den damals entstandenen Vereinshäusern schossen Anfang des 20. Jahrhunderts die Gemeindehäuser vom Boden. Diese Immobilie ist heute sowohl Betätigungsraum für Gruppen als auch Sorgenkind vieler Kirchengemeinderäte. Burkowskis Analyse: Man sollte den Nutzen der Gemeindehäuser prüfen und mit Alternativen abwägen. Die Lösungen von gestern mögen für ihren gesellschaftlichen Kontext bahnbrechend gewesen sein, sie weisen uns aber nicht automatisch den Weg in die Zukunft hin. Er betonte: „Unsere (aktuelle) soziale Form ist nicht das Evangelium.“

Dem Vortrag folgte ein Workshop: Alle Teilnehmer:innen konnten miteinander diskutieren, wie Kirche neu gedacht und gestaltet werden könnte. Als Grundgerüst dienten sechs Thesen von Uta Pohl-Patalong über die Zukunft der Kirche. An Stationen konnten die Teilneher:innen ihre Ideen und Anregungen einbringen und auf Stellwänden festhalten. Es wurde unter anderem angeregt, dass kirchliche Innovationen konsequenterweise im Kirchenrecht und im kirchlichen Haushalt genauso „normal“ werden wie das Modell der parochialen Kirchengemeinde. Bezüglich der kirchlichen Berufe wurde hinterfragt, ob der obligatorische Religionsunterricht für alle Pfarrpersonen einer begabungsorientierten Personalpolitik entspräche. Und nicht zuletzt bewegte die Frage, welche Vision von Kirche notwendig ist, damit Menschen dem Evangelium von der unbedingten Liebe Gottes begegnen können.

Nicht nur wurde Zitronenkuchen gegessen: Zum Abendessen versorgte der Foodtruck alle Anwesenden mit vegetarischen Speisen. Zwischen dem Ende des Forums und der anschließenden Mitgliederversammlung konnten viele Gespräche und Begegnungen stattfinden.

– Ein Artikel von Blaise Gourget

Rückblick auf die Herbstsynode 2023

Und sie bewegt sich doch! 

Kirche für morgen hatte bereits im Wahlkampf und dann mit der Antragseinbringung eine

Gesamtstrategie der Landeskirche für das Themenfeld
„Kirche der Zukunft – neue Aufbrüche“
gefordert.

Nun, drei Jahre später, stellt der Vorsitzende des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung Kai Münzing in seinem Bericht fest, dass das ursprüngliche Antragsanliegen durch entsprechende Entwicklungen, mehr als erwartet erreicht wurde.
 
Bei Interesse lese hier weiter, was alles durch die Initiative von Kirche von morgen ermöglicht wurde:

  • Die Einrichtung der Projektpfarrstellen Innovation in Crailsheim, Stuttgart, Bad Urach-Münsingen, Nürtingen, Merklingen, Gammertingen-Trochtelfingen, Hirsau, Ludwigsburg und Weikersheim
  • Die Wiederbesetzung der Referentenstelle für Innovation und Neue Aufbrüche mit Miriam Hechler
  • Der Innovations- und Ehrenamtstag am 04.Mai 2024 in Reutlingen unter dem Motto „Gemeinde begeistert“ – „Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ dient als Austauschplattform und Mutmachforum für alle Startups und Neuaufbrüche innerhalb der Landeskirche
  • Die Innovationslandkarte, die aktuell rund 100 inspirierende Projekte in Kirchengemeinden in Distrikten und in Kirchenbezirken umfasst und auf weitere Projektanmeldungen hofft
  • Das Projekt „multiprofessionelle Teams“, das ebenfalls Erprobungsräume auf Gemeinde- und Distriktebene ermöglicht und vermutlich ab dem Jahr 2025 Gemeindeleitungs- und gestaltungsalternativen aufzeigen wird
  • Die Erkenntnisse diverser Untersuchungen hinsichtlich RegioLokaler Gemeindeentwicklungen, die nun in die Ausbildung der Vikarinnen und Vikare Einzug findet und bei Dekanendienstbesprechungen ebenfalls wichtige richtungsweisende Impulse gibt. Die Aspekte fliesen bereits heute in eine Vielzahl von Beratungsprozessen durch die „Vernetzte Beratung“ mit ein
  • Die geplante Zusammenlegung von Innovationsfond und Fond für Neue Aufbrüche und die damit einhergehende nochmalige finanzielle Aufstockung
  • Die Stärkung der Perspektive Neuer Aufbrüche und der missionalen Gemeindeentwicklung durch das zum 1. April 2023 neu installierte „Zentrum für Gemeindeentwicklung und missionale Kirche (GEM)“ im Dezernat 1 des Oberkirchenrats.
  • Die Initiative des sozialdiakonischen Projekts im Diakonischen Werk „Aufbruch im Quartier“ und die damit verbundenen neuen Gemeindeentwicklungsmöglichkeiten
  • Und zuletzt durch die Möglichkeit, die Transformationsstellen im Rahmen des PfarrPlans 2030 inhaltlich frei auszugestalten, werden nachhaltige Möglichkeiten zur parochieunabhängigen Arbeit geschaffen.

– Von Kai Münzing


Die 6. Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung

Die KMU 6 zeigt uns sehr klar, dass Kirchenbindung, aber auch Religiosität gesellschaftlich zurückgehen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die soziale Reichweite der Kirche nach wie vor hoch ist. Hier verliert die Kirche nicht an Bedeutung. Das Vertrauen in die sozial-diakonischen Institutionen der beiden großen Kirchen, Caritas und Diakonie, ist hoch. Die KMU 5 hatte angenommen, dass der Schwerpunkt der religiösen Sozialisation in der Familie liegt. Schön ist, dass dieser Blickwinkel in der KMU 6 erweitert wird und auch kirchlichen Angeboten hohe Bedeutung für die religiöse Sozialisation zurechnet.  80% der befragten Evangelischen geben laut KMU 6 an, dass sich die Kirche grundlegend verändern muss, damit sie eine Zukunft hat.

Anja Faißt beschreibt in ihrem Votum, dass Kirche für Morgen dazu konkrete Vorstellungen hat:

  • Jetzt ist die Zeit, neue Formen von Kirche konsequent umzusetzen!
  • Jetzt ist die Zeit, Kirche konsequent vernetzt zu denken!
  • Jetzt ist die Zeit, Kirche konsequent sozialdiakonisch zu denken!

In der Aussprache betonen Marion Blessing die alternativen Zugänge zum Religionsunterricht und Britta Gall die gesellschaftliche Reichweite der Kirche als Hoffnung. Des Weiteren sagte Ralf Walter, dass wir angelehnt an Simon Sinek, mehr danach fragen warum wir etwas machen und nicht immer nur wie wir etwas machen.

– von Anja Faißt


Strategische Planung

„Der Oberkirchenrat macht, was er will!“ Der Oberkirchenrat ist intransparent in seinem Handeln!“ 

In seinem Gesprächskreisvotum konfrontiert Bernd Wetzel mit Aussagen, die er in Gesprächen in der Region immer wieder hört, machte dabei jedoch klar: „Die strategische Planung ist ein starkes Gegenbeispiel, das jedenfalls große Hoffnungen auf Veränderung weckt.“ Und dass aus seiner Sicht die Planung von einem hohen Maß an Transparenz getragen ist, die ihm nun neue gute Argumente für Gespräche vor Ort liefert.

Am Donnerstag hatte Direktor Stefan Werner die Strategische Planung des Oberkirchenrats vorgestellt. Er führt dabei die Grundlinien vom Bericht der Planung aus 2022 weiter. Im Kollegium wurde eine Strategie entwickelt, mit der man darauf reagieren will, um nötige Veränderungen zu etablieren, um so „die Kirche zukunftsfähig zu halten“. 

Bernd Wetzel sagte im GK-Votum, die Synode stünde mit dem Oberkirchenrat vor der Aufgabe, „die Gesetze und Regelungen zu entschlacken und wo nötig, sie zu ändern oder abzuschaffen.“ Denn die bestehende Gesetzeslage „bringt uns leider dazu, dass wir alles von oben nach unten kontrollieren und regeln“. Die Aufgabe für die Zukunft sei „dass wir uns von Gott, mit seinem Beziehung stiftenden Wesen, senden lassen, um Beziehung zu Menschen zu suchen und zu bauen.“ Um dies zu veranschaulichen, hatte er ein aktuelle Rechtssammlung auf den Rednerpult gestellt und festgestellt, dass diese ganz schön dick geworden ist. Auch auf die Aussage weiterhin Volkskirche sein zu wollen hatte sich Bernd Wetzel Stellung bezogen und mit einem Zitat von Winfried Kretschann  (aus Rede vor der EKD-Synode): „Wir sind in Zukunft eher eine Kirche im Volk – Salz der Erde und Licht der Welt! Ich denke, so muss man zukünftig Kirche sehen!“ 

– Von Bernd Wetzel


Aktuelle Stunde

In der aktuellen Stunde behandelt die Synode jeweils ein aktuelles gesellschaftsrelevantes Thema.
Kurz vorher hörten wir Prof. Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) mit einem Grußwort, in dem sie sagte: „Wir müssen und sollen als abrahamitische Religionsgemeinschaften den Dialog und Trialog suchen – mehr denn je. Zugleich aber in unseren jeweiligen Gemeinschaften von extremistischen oder einseitigen Positionen fernhalten.“

Dieses Mal war das Thema der aktuellen Stunde: „Welchen Beitrag können wir als Christinnen und Christen und als Ev. Landeskirche in Württemberg im Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland leisten?“ In vielen Wortmeldungen behandelten die Synodalen den wachsenden Antisemitismus – auch in unserer Kirche.

Für Kfm trat dazu Kai Münzing ans Pult und zitierte Diakoniepräsident Ulrich Lilie: „Aus unterschiedlichen Perspektiven ergibt sich ein europäischer Konsens: Nie wieder. Nie wieder totalitäre Herrschaft, nie wieder Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus, nie wieder die Menschenwürde in Grund und Boden treten, nie wieder Mord und Totschlag. Stattdessen ist das europäische Friedensprojekt gegründet auf den Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dem Wohlergehen aller seiner Bürger:innen verpflichtet!“.

Zum Abschluss der aktuellen Stunde beteten Präsidentin Sabine Foth und der Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl für die Lage in Israel, Gaza und auch in Württemberg.

– Von Britta Gall


Verfolgte Christen

Christen leben ihr Leben nicht allein, sie sind verbunden mit anderen Christen in der ganzen Welt. Einmal im Jahr wird in einem Bericht im Besonderen an die Christen erinnert, die durch ihr Christsein Nachteile im Leben haben. In ihrem Bericht nahm Kirchenrätin Dr. Christine Keim drei Länder bzw. Gruppen besonders in den Blick: Armenien, Irak und indigene Völker.

Dr. Christine Keim erläuterte den aktuellen Konflikt und seine Folgen für Christen in der Region Berg-Karabach vor dem Hintergrund der Situation in Armenien. Die Lage von Christen im Irak nannte sie besorgniserregend. Zum Thema „Indigene und Religionsfreiheit“ zitierte sie aus dem Bericht der Bundesregierung zu Religions- und Weltanschauungsfragen vom November und erläuterte die Bedeutung und das Ausmaß der Verletzung dieses Rechts, gerade für indigene Menschen, die einer christlichen Geschichte angehören.

– Von Matthias Böhler


Dekanatsplan 2030

Auf der Herbstsynode wurde der Dekanatsplan 2030 vorgestellt. Dieser Plan bildet eine nachvollziehbare Grundlage für anstehende Strukturanpassungen auf der mittleren Ebene, also im Prinzip für Fusionen von Kirchenbezirken. Innerhalb der letzten 20 Jahre haben sich die Pfarrstellen in der Landeskirche halbiert, klar, das das auch Auswirkungen auf andere Ebenen der Landeskirche haben muss. Wichtig für uns ist, dass die Diskussionen und Entscheidungen in den Gremien vor Ort getroffen werden und verstehen den Dekanatsplan 2030 als Vorschlag und Diskussionsgrundlage für zukunftsfähige Strukturen.

– Von Matthias Böhler



Zukunftsforum Brave New Church am 21.10.

Viele haben es vermisst. Für andere ist es neu. Und wir haben Lust darauf. Wir haben ein kleines, aber feines Forum vorbereitet. Herzliche Einladung zum Kfm-Forum, das am Samstag, 21.10.2023, um 15.00 Uhr in Kleinsachsenheim (bei Bietigheim-Bissingen) stattfindet.

Pfarrer i. R. Peter Burkowski, ehemaliger Leiter der Führungsakademie für Kirche und Diakonie (fakd) in Berlin, teilt kluge und hilfreiche Impulse zur Transformation der Kirche mit uns. Gemeinsam überlegen wir, wie Kirche neu gedacht und gestaltet werden kann. Außerdem gibt es Zitronenkuchen, Leckeres vom Foodtruck und viel Zeit für Gespräche und Begegnungen.