Eine Geschichte vom Aufbruch im Kirchengarten
Es war einmal eine Gärtnerin. Sie hatte einen großen schönen wohl organisierten Garten. Über 1200 leuchtend grüne Grashalme standen ganz in der Mitte darin. Dazu außenrum eine ordentliche Anzahl Sonderpflanzen, Projektblumen und Dauerblüher, die sie hegte und pflegte. Im Großen und Ganzen war die Gärtnerin sehr stolz auf ihren Garten.
Er hatte die vergangenen Jahrhunderte eigentlich ganz hübsch geblüht. Einige Früchte waren zu ernten gewesen und viele Menschen freuten sich über den Anblick und die guten Auswirkungen, die die Pflanzen hervorbrachten: Luft zum Aufatmen, Schönheit für die Welt, Nahrung für Bedürftige, immer eine gute Botschaft – und auch einige Samen, die zu freien Pflanzen außerhalb des Gartenzauns führten. Alles in allem: ein echter Segen.
Allerdings war in den letzten Jahren etwas Besorgniserregendes geschehen: Das Wasser wurde zunehmend knapper! Irgendwie wollte der dicke lila Gartenschlauch nicht mehr die benötigte Menge liefern. Es wurde für die Gärtnerin immer schwerer, alle Pflanzen ausreichend zu bewässern. Oder lag es doch daran, dass die Pflanzen inflationär insgesamt mehr Wasser brauchten?
Einige ließen schon die Köpfe hängen und verloren an Farbe. Manchmal wusste die Gärtnerin gar nicht mehr, was zuerst da war. Der Wassermangel oder die miese Stimmung unter den Pflanzen.
Ihr blieb mit der Zeit nichts anderes mehr übrig, als zu mähen und zu beschneiden. Sie stellte den Rasenmäher in der ersten Runde auf 3,5 Prozent und dann in der zweiten Runde auf 2,0 Prozent und fuhr über den Rasen einmal drüber. Über den Rest des Gartens fuhr sie mit 0,9 Prozent-Einstellung.
Aber – oh nein – ihr gut gemeintes Ansinnen kam bei den zu Bewässernden gar nicht gut an. Die Grashalme beschwerten sich, die Sonderpflanzen beschwerten sich und mehr Wasser blieb am Ende auch nicht übrig. Die Gärtnerin war betrübt – hatte sie doch die letzten Jahre immer viel, viel Wasser in ein Rücklagebecken gefüllt für die betagten Pflanzen und ihre sehr betagten Hinterbliebenen … alles brachte nichts.
Die trübe Aussicht auf noch weniger Wasser in den kommenden Jahren tat ihr übriges. Die Gärtnerin war ernüchtert und auch ein bisschen traurig. Klar. Sie steuerte perspektivisch auf den gefühlten Kahlschlag zu. So war es total verständlich, dass sie sich echt um die Zukunft zersorgte – obwohl doch ihre ureigene Bestimmung eigentlich war, Leben zu fördern, zu bringen, neu aufblühen zu lassen.
In ihrer Verzweiflung berief die Gärtnerin einen Gartenrat ein. Sie fragte die Offene Birke und Kirche für Borken. Sie lud Basilikum und Kirche ein – und auch noch die lebendige Weide. Irgendwie kamen sie gemeinsam überein – fragt mich nicht wie – dass es wohl besser sei, sich von einzelnen Pflanzen zu verabschieden, um sich auf Weniger zu fokussieren.
Oh Wunder.
Die Gärtnerin entschied sich also dazu – natürlich in einem schmerzhaften, schweren Prozess – einige Pflanzen des Gartens aufzugeben. Es tat weh – einmal holte sie sogar die Kettensäge raus und fällte einen sehr großen alten Baum, der schon seit einiger Zeit keine Früchte mehr trug. Sie trauerte -aber mutig verschenkte sie auch einige Gewächse. Andere wiederum versetzte sie in das gemeinsame Gartenstück mit Baden. Und wieder andere entließ sie in die Selbständigkeit.
Nun konnte Sie sich auf weniger konzentrieren und siehe da -das Wasser reichte! Die immer weniger werdenden, aber stabilen Grashalme konnte sie gut bewässern, genau so wie einige ganz neue Pflänzchen, die wild und schön wuchsen. Diese wurden für sie zu einer unbekannten neuen Form von Garten – mitten im Garten.
Besonders da, wo vorher der große alte Baum stand, war jetzt ein neuer Sonnenfleck mit super Nährboden entstanden. Immer wieder waren auch frische Pflanzen dabei, die sich selbst mit Wasser versorgten. Sie waren oft kleiner und jünger und brauchten auch nicht viel an Zäunen oder ordnenden Maßnahmen der Gärtnerin. Sie brauchten nur Liebe&Zuneigung und etwas Platz im Garten. Diese jungen Wilden beschützte die Gärtnerin ganz besonders.
Eines schönen Herbsttages saß die Gärtnerin dann im Liegestuhl und schaute zufrieden nach Ihrem Stückle. Der Garten wurde kleiner, mag sein, aber er wurde auch diverser. Er verband nun sehr gut die Traditionen und die Innovationen. Er ermöglichte vieles.
Einmal kam sogar ein Brautpaar vorbei, das den Garten nur vom Hörensagen kannte. Die Gärtnerin konnte den Beideneine ganz ausgefallene Blume für den Brautstrauß schenken – ein hübscher Segen.
Kurzum: Der Garten war wieder relevanter geworden für die Menschen um ihn herum. Die Stimmung der Pflanzen hob sich und auch der Gärtnerin entwich ein zartes Lächeln.
Sie hatte gelernt: In einer Übergangsphase gilt es, das früher Gewachsene großzügig zu beschneiden und gleichzeitig großzügig Neues zu säen und zu probieren. Im großen Gartenwandel braucht es Abschied, Neubeginn und vor allem Bewässerung für frische ungewohnte Setzlinge.
Nun kam es der Gärtnerin irgendwie auch so vor, als würde jedes Jahr doch wieder mehr Wasser strömen. Woher auch immer. Leise hörte man die Gärtnerin die Melodie eines Liedes vor sich hin summen:
„Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.“
Liebe Geschwister, lasst uns sein wie die Gärtnerin. Nur noch einmal einen solchen Rasenmäher-Haushalt. Bitte nur noch dieses Mal so wenig Spielräume und kaum Experimentierräume. Und nächstes Mal: Mehr Mut zum Lassen, mehr Mut zum Fokussieren, mehr Mut für Neues.
Diese Geschichte würden wir von Kirche für morgen gerne mit euch allen gemeinsam erzählen.
Synodaler Tobi Wörner