Rückblick auf die Frühjahrssynode 2025

Bericht TOP 7 und Anträge

Weil die Einnahmen der Landeskirche zurückgehen und gleichzeitig die Pensionsaufwendungen steigen, muss die Landeskirche massiv sparen. Der Haushalt soll um rund 100 Millionen Euro pro Jahr reduziert werden. Dazu hat der Oberkirchenrat eine sogenannte „Priorisierungsliste“ vorgelegt, in der mögliche Einsparpotenziale benannt werden. 

Sparzwang in den notwendigen Dimensionen fordert große Opfer und eine Abwägung von Prioritäten. Es gehört zur synodalen Verantwortung, nicht nur die Dinge zu benennen, die uns erhaltenswert erscheinen oder für die wir meinen, kirchenpolitische Lobbyarbeit betreiben zu müssen – sondern auch zu sagen, wofür wir zukünftig kein Geld mehr ausgeben wollen.  

Dieser Fragestellung, die auch zur Ehrlichkeit kirchenpolitischen Handelns gehört, hat sich ausschließlich der Gesprächskreis Kirche für morgen gestellt.
„Spardiskussionen sind immer auch Kirchenbilddiskussionen“ sagte Matthias Böhler im Gesprächskreisvotum. „Die Optimierungslogik reicht für eine zukunftsfähige Kirche nicht aus. Spardiskussionen ohne Kirchenbild-Diskussionen sind uns zu passiv. Passivität bedeutet Stillstand. Wer passiv ist kann nur reagieren, wer gestalten will, muss aktiv werden und wissen, wo er hin will.“

Vier Forderungen stellten wir als Gesprächskreis mit Blick auf die Spardiskussionen der nächsten Wochen auf. Neben der Abschaffung des Beamtentums, treten wir für eine überproportionale Förderung der Jugendarbeit und des Ehrenamts ein, schlagen die Abgabe sämtlicher evangelischer Tagungsstätten vor und setzen uns für eine schlanke und effektive Verwaltung ein. 

Britta Gall brachte dazu den Antrag 10/25 (Abgabe der Ev. Tagungsstätten Württemberg) ein. Dieser Antrag trägt den Geist des Kirchenbilds von Kirche von morgen, indem „Menschen statt Steine“ klar priorisiert werden oder, konkreter gesagt, „Hotelbetten und Räume“, zugunsten von gestärkten Inhalten aufzugeben sein werden. 
„Die gestellte Aufgabe an uns lautet dennoch: Priorisieren. Fokussieren. Volle Kraft in die kirchlichen Kernaufgaben. Zu diesen Kernaufgaben einer Kirche der Zukunft gehört unserer Meinung nach, der Meinung von Kirche für morgen, die Finanzierung von Beherbergungsbetrieben nicht.“, so Britta Gall.  Denkbar sind für uns aber auch alternative Trägerstrukturen, die in gemeinsamer Verantwortung zu entwickeln und zeitnah zu ermöglichen sein sollten. 

Der Antrag 16/25 (Abschaffung der Prälaturen), der von Kai Münzing eingebracht wurde, trägt ebenfalls diesen Geist. Aufgeblähte Organisationsstrukturen müssen angepasst und Hierarchien abgebaut werden. Die Kirche der Zukunft wird eine Ehrenamtskirche sein und vor Ort leben. Wir setzen auf die Leitungskompetenzen der mittleren Ebene und möchten diese stärken und ausbauen.


– Von Matthias Böhler und Kai Münzing


Die Finanzsituation der Landeskirche auf den Punkt gebracht:

  • Die krisenhafte Wirtschaftslage sowie der andauernde Mitgliederrückgang wirken sich massiv auf die Kirchensteuereinnahmen aus. 
  • Für 2025 prognostiziert das Finanzdezernat einen Rückgang des Kirchensteueraufkommens auf 780 Mio. Euro.
  • Im Vergleich zu den Ausgaben ergibt sich in den kommenden Haushaltsjahren ein jährliches Strukturdefizit von über 40 Mio. Euro
  • Für die zukünftigen Versorgungsbezüge der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten müssen wir eine weitere Milliarde ansparen und dafür werden wir 12 Jahre lang jährlich 80 Mio. ansparen.

Einsparungen und Herausforderungen:

  • Ziel ist es, bis 2028 wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.
  • Dazu müssen in den nächsten Jahren 103,9 Millionen Euro im jährlichen Haushalt der Landeskirche eingespart werden.
  • In der Eckwerteplanung wird der Verteilbetrag für Kirchengemeinden in den kommenden Jahren jeweils um 0,6 Prozent erhöht. Damit können die Kostensteigerungen von Löhnen und Gehälter nicht ausgeglichen werden. Das bedeutet, dass auch die Kirchengemeinden und -bezirke Einsparungen vornehmen müssten.
  • „Das heißt im Klartext: Wir werden kleiner, wir haben weniger Stellen, weniger Sachmittel, weniger Immobilien, weniger Ausbildungsplätze, weniger Servicestellen in der Verwaltung usw.“ so im synodalen Bericht von Direktor Werner auf der Synode.

Strategien und Maßnahmen:

  • Die geplanten Einsparungen sind in der Priorisierungsübersicht zusammengefasst. Diese ist öffentlich und kann im elkwue-Portal eingesehen werden. Ebenso sind dort die Berichte aus dem OKR sowie die Gesprächskreisvoten nachzulesen. 
  • Bis zur Sommersynode 2025 werden diese Einsparvorschläge und die eingebrachten Änderungsanträge aus der Synode heraus in den Ausschüssen diskutiert und beraten. In der Synodaltagung im Juli erwarten wir die Beschlüsse und Entscheidungen.

– Von Götz Kanzleiter


Antrag und Gesetzesvorlage durch den OKR: Ergänzung Trauagende


Der OKR bringt den Antrag 11/25 ein. Darin geht es um die Ergänzung des Gottesdienstbuches (Teil 2: Kirchliche Trauung) um die Liturgie „Trauung von Ehepaaren gleichen Geschlechts“ samt Texten zur Auswahl und Anhang. Zugleich wurde das kirchliche Gesetz zur Änderung des Rechts der kirchlichen Trauung (Beilage 127) eingebracht. 

In der Aussprache zur Verweisung des Antrags wurde betont, dass die Gruppierungen in der Synode doch bitte im geschwisterlichen Gespräch zu diesem Thema bleiben sollen, auch wenn es hier unterschiedliche Sichtweisen gibt.  

Oliver Römisch sieht es in seiner Stellungnahme kritisch, dass Kirchengemeinden in der momentanen Fassung gezwungen werden sollen, sich gegen die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare entscheiden zu müssen. Er glaubt nicht, dass dies zu einer Befriedung des Themas führen wird. Es müsste in den Ausschüssen im Blick auf die Drei-Viertel-Mehrheit über eine Vereinfachung nachgedacht werden. „Die Kirchengemeinden sollen weiterhin darüber entscheiden, ob sie es einführen oder nicht – und das mit einfacher Mehrheit.“  

Auch Matthias Vosseler spricht sich für eine Verweisung aus, um daran in den Ausschüssen weiterarbeiten zu können. Er bedauert es, zusammen mit dem Synodalen Burkard Frauer (Vorredner), dass der bisherige Gesprächsweg und der aus der Synode eingebrachte Antrag 23/23 leider nicht aufgenommen wurden.  
Beides – Antrag und Gesetzentwurf – wurde in den Theologischen Ausschuss und den Rechtsausschuss verwiesen.  

-Von Bernd Wetzel


Eröffnungsgottesdienst der Synode

Der Eröffnungsgottesdienst in der Hospitalkirche wurde von ‚Kirche für morgen‘ gestaltet.
Aus der Formation WeJazz begleiteten Theodora Kaiser und Benjamin Steinhoff den Gottesdienst und sangen mit und für uns: Church-Songs im Jazz-Folk-Blues Stil.

Die Predigt richtete den Blick auf Petrus, den Superjünger, der in der Passionsgeschichte so versagt hatte und Jesus verleugnete. Matthias Vosseler predigte über die Schuld des Petrus, die nicht verschwiegen wird. Doch trotz seines Versagens geriet Petrus nicht in Vergessenheit, sondern wurde von Gott neu berufen.

Der Gottesdienst wurde aufgezeichnet und auf folgenden Kanälen zu sehen: 

Sowie bei Regio TV, 6.+13.+20.+27. April, 11 und 13 Uhr

– Von Matthias Vosseler


Einladung zum Forum 2025 in Denkendorf

Am 10. Mai wollen gemeinsam diskutieren und mutige Ideen für eine zukunftsfähige Kirche entwickeln – kreativ, visionär und voller Aufbruchskraft.
Mit dabei sind Referenten: Dr. Golde Hannah Marie Wissner, Cyrill Schwarz und Dr. Gisela Schneider.

Weitere Infos und Anmeldung: Forum 2025



Transprofessionelle Teams in Leitungsverantwortung 

Die Zusammenarbeit von unterschiedlich ausgebildeten Menschen in der Leitung einer christlichen Gemeinschaft oder einer Kirchengemeinde ist eine große Herausforderung. Gleichzeitig kann sie aber auch eine enorme Bereicherung für die beteiligten Menschen sein. Die Dynamik, die in transprofessionellen Teams liegt, kann sich auf das Zusammenleben in einer Gemeinschaft im engeren Sinne, aber auch auf kirchengemeindliche Strukturen und Begegnungen im weiteren Sinne auswirken.  

In der Zusammenarbeit von verschiedentlich ausgebildeten Menschen als Leitungs-Team ist nicht die Profession das Wesentliche, sondern die Professionalität in der Ausführung der jeweiligen Aufgabe und Tätigkeit. Die Etablierung von transprofessionellen Teams in Kirchengemeinden erfordert ein gewisses Maß an Veränderungsbereitschaft bei der bisherigen Kirchenleitung und den Gemeindegliedern. Denn: sie stellt die bisherigen Leitungsformen auf den Kopf. Dabei ist die Grundidee keine neue. Schon im Neuen Testament lesen wir von unterschiedlichen Gaben und Aufgaben in der Gemeinde. Selbst die wichtigen Texte der Christenheit stammen nicht etwa aus einer Feder, sondern wurden von Menschen mit unterschiedlicher Profession abgefasst: Lukas etwa war Historiker, Paulus hingegen Zeltmacher. Das Evangelium braucht verschiedene Perspektiven und Betrachtungsweisen, um ganz zum Leuchten zu kommen. Das kann auch uns ermutigen, Gemeindearbeit viel stärker als Teamplay zu verstehen.  

In der Church of England macht man die Erfahrungen, dass insbesondere im Team geleitete Gemeinden für Neugründungen verantwortlich sind. Oder dass sie einen Zuwachs an Gemeindegliedern erfahren haben. 

Transprofessionelle Teams sind aber kein Allheilmittel für die strukturelle Probleme in einer Volkskirche, die von Kirchenaustritten und demographischem Wandel geprägt ist. Sie sollten auch nicht zuerst als Mittel zur Optimierung kirchengemeindlichen Handelns oder für die gesellschaftlich gewünschte Öffnungen in den Sozialraum gesehen werden. Worum es geht, ist ein grundsätzlich anderes Handeln. Um ein Leitungshandeln, das aus der geistlichen Gemeinschaft und von den Kirchengemeindemitgliedern heraus entspringt. Diese partizipativen Ansätze stärken das Zugehörigkeitsgefühl und verbinden Menschen auf eine tiefere Weise. In gemeindlicher Teamarbeit geht es vor allem darum, einander so zu dienen, wie Jesus seinen Jüngern gedient hat.  

In Leitungsposition der Kirche braucht es in Zukunft also Menschen, die sich nicht als alleinigen Verantwortlichen sehen, wie über viele Jahrhunderten hinweg das Pfarramt gedacht war. Es braucht Teamplayerinnen und Teamplayer, die in der Lage sind, sich in ihrer Unterschiedlichkeit zu ergänzen, sodass sie als Leitungsteam der Gemeinde dienen. 

Nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch die Starrheit kirchlicher Leitung muss in Zukunft aufgebrochen werden. Teammitglieder müssen nicht für immer und für alles Verantwortung übernehmen. So kann es für die Umgestaltung von Gemeinderäumen beispielsweise sinnvoll sein, dass eine Bauingenieurin und ein Elektromeister zeitweise mit in der Verantwortung sind. Für die Einführung neuer Gottesdienstformen, sind dann wieder andere Menschen im Leitungsteam sinnvoll.  

Die Idee von transprofessionellen Teams fördert solche fluideren Formen der Zusammenarbeit, weil sie danach fragt, wer für eine bestimmte Aufgabe geeignete Fähigkeiten mitbringt und nicht, wer für die Aufgabe zuständig ist. Daraus resultieren effektivere und Ressourcen sparende Arbeitsabläufe, was zu mehr Zufriedenheit der Mitwirkenden führt. Wer sich gebraucht und am richtigen Platz fühlt, der empfindet seine Arbeit als sinnvoll und kann im besten Fall Energie daraus schöpfen. Wenn kirchliche Prozesse besser im Team oder als netzwerkorientierte Zusammenarbeit gedacht wären, könnten sich neue Freiräume für Weiterentwicklung und innovative Ideen ergeben. 

Teamarbeit in der Zukunft der Kirche ist notwendig, damit Kirche wieder mehr Zustimmung und Bedeutsamkeit innerhalb der eigenen Gemeindeglieder, wie auch innerhalb er Gesellschaft erfährt.  


Autorin Anna Weister-Andersson  

ist eine schwedische Singer – Songwriterin für Gospelmusik, leitete mehrere und unterschiedliche Gospelchöre in Schweden. Gemeinsam mit ihrem Ehemann lebte Anna etliche Jahre in Großbritannien in zwei christlichen Gemeinschaften, wo sie auch als Worship-Leiterin aktiv war. 


Kleines Lexikon der Teamarbeit 

Multiprofessionell: Menschen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund arbeiten zusammen. Jede:r parallel mit klarer Rolle in seinem Fach- und Zuständigkeitsgebiet. 

Interprofessionell: Ähnlich wie multiprofessionell, aber Ziele aller Bereiche werden gemeinsam festgelegt und Entscheidungen zusammen verantwortet. Jede:r arbeitet dann parallel in seinem Fachgebiet.  

Transprofessionell: Nicht nur Ziele und Entscheidungen sind gemeinsame Sache, sondern auch die eigentliche Arbeit erfolgt nicht in Zuständigkeitsbereichen, sondern interaktiv und partnerschaftlich.  

Nach: Daniela Schmitz & Tobias Schmohl: Handbuch Transdisziplinäre Didaktik, S. 357. 

Rückblick auf die Herbstsynode 2024

Zum PfarrPlan 2030

Spätestens mit den Einschnitten des PfarrPlans 2030 ist dieser nicht mehr isoliert zu betrachten.

Durch die großen Reduzierungen des Pfarrdienstes in den vergangenen Jahren und mit Blick auf die Kürzungen mit dem PfarrPlan2030 wirkt dieser in vielfältiger Weise auf Kirchen- und Gemeindeentwicklung sowie auf die Aufgaben und die Rollen, in der der Pfarrdienst künftig zu stehen haben wird. 

So sind Modelle hinsichtlich regio-lokaler und distriktübergreifender Lösungen, Auswirkungen von Fusionen, Dekanatspläne mit annähernder Landkreisschärfemultiprofessionelle Teamstrukturen und Transformationsstellen in ganz anderer Weise wie in den Jahren zuvor in den Blick zu nehmen.

Dem Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung kann entnommen werden, in welchen Kontexten der PfarrPlan zu denken ist und wie sich dadurch auch Gemeinden und Rollenverständnisse verändern werden müssen. 
Ich denke, dass die Transformationsstellen deutlich besser sind oder besser sein können als deren vorauseilender Ruf! Ebenfalls ist es interessant, den Ausblick und die Chancen der „multiprofessionellen Teams“ wahrnehmen zu können. 
Kirche für morgen hat hier in einer vielfältigen Weise zitronenfrische, transformelle und milieusensible Gemeindeentwicklungsprozesse angestoßen und im Bild gesprochen „dicke Bretter“ gebohrt. 

– Von Kai Münzing


Ein Blick auf die Christen weltweit

Einmal im Jahr wird über die Situation der Christen in der Welt und über den weltweiten Leib Christi berichtet.
Auch wenn hier nicht von systematischer Christenverfolgung gesprochen werden kann, haben Christen in vielen Bereichen des Lebens Nachteile. 
 
Im Ostkongo wird im Krieg Vergewaltigung als Mittel eingesetzt, die Übergriffe nehmen seit Jahresbeginn wieder zu.
Die Verletzungen der Menschenrechte wirken sich auch auf die Religionsfreiheit aus.
Kirchliche Gruppen können versuchen, im Streit marodierender Gruppen zu schlichten.
 
Sudan: Im Sudan gibt es 5 % Christen bei über 90 % sunnitischer Muslime. Der Sudan verzeichnet zwei traurige Rekorde: die größte Flüchtlingswelle der Gegenwart und die größte humanitäre Krise der Welt aufgrund von Hungersnöten.
Auch dieser Krieg ist kein Religionskrieg, sondern eine innermuslimische Angelegenheit. Für den Schutz der wenigen Christen tritt aber niemand ein. So werden immer wieder Kirchen zerstört.
Wichtig ist für uns, dass wir neben Gebet und finanzieller Unterstützung den Austausch mit den Christen aus anderen Ländern suchen, was technisch heute leicht möglich ist.

-Von Matthias Vosseler


Trauung gleichgeschlechtlich liebender Ehepaare

Bei Tagesordnungspunkt 15 beriet die Landessynode zum Thema Trauung gleichgeschlechtlich liebender Ehepaare. Als Vorsitzender des theologischen Ausschusses setzte sich Hellger Koepff dafür ein, die aktuell geltende Präambel so zu erweitern, dass deutlich wird, welche beiden unterschiedlichen Eheverständnisse in unserer Kirche existieren und legte dafür ein Arbeitspapier vor. Danach berichtete Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider von der Arbeit in der von Landesbischof Gohl im Frühjahr eingesetzten synodalen Arbeitsgruppe. Er wies vor allem auf die christologische Mitte hin. An der Arbeitsgruppe haben von Kirche für morgen Matthias Vosseler und Anja Faißt mitgewirkt. 

In der Aussprache sprach sich Matthias Böhler für die bisherige Regelung aus mit der Perspektive der Weiterentwicklung. Anja Faißt zeigte die Schwächen der aktuellen Regelung anhand eines praktischen Beispiels auf und setzte sich dafür ein, dass die Synode noch in dieser Periode einem neuen Gesetzesentwurf für die Trauung für alle zustimme. Auch Matthias Vosseler zeigte auf, dass man jetzt noch ein Jahr Zeit habe, um konstruktiv an einem Gesetzesentwurf zu arbeiten, der unterschiedliche Eheverständnisse nebeneinander stehen lassen könne.

Im abschließenden Wort des Landesbischofs zeigte Ernst-Wilhelm Gohl auf, dass die kirchliche Trauung in einer Krise stecke, da sie auch von heterosexuellen Paaren nicht mehr unbedingt als Normalfall wahrgenommen werde. Er wies darauf hin, dass die Trauung gleichgeschlechtlich liebender Menschen die kirchliche Trauung als Kasualie stärken könnte und er daher gemäß des Beschluss im Rechtsausschuss eine Arbeitsgruppe im Oberkirchenrat einsetzen werde. Laut Landesbischof Gohl hat die Arbeitsgruppe das Ziel, bis zur Sommersynode 2025 einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Trauung gleichgeschlechtlicher Ehepaare ermöglicht.

– Von Anja Faißt


Kirche in der Krise: Reformen dringend notwendig

In seiner engagierten Haushaltsrede beschreibt Götz Kanzleiter die prekäre finanzielle Lage der Württembergischen Landeskirche. Die Kirche stehe vor enormen Herausforderungen und müsse drastische Einsparungen vornehmen, während gleichzeitig neue Wege beschritten werden müssen. Kanzleiter betonte, dass es nicht ausreiche, kleine Anpassungen vorzunehmen; es sei an der Zeit, grundlegende Reformen durchzuführen.

Ein zentraler Punkt seiner Rede war die Notwendigkeit, bestehende Konzepte und Angebote zu überdenken und gegebenenfalls zu streichen, um die Wirksamkeit der Kirche zu erhalten. Er zog einen Vergleich zur Automobilindustrie, die trotz gravierender Einschnitte weiterhin Innovationen vorantreiben muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Kanzleiter hob hervor, dass die Kirche der Zukunft von Ehrenamtlichen getragen wird und dass die Förderung und Ausbildung dieser Freiwilligen von entscheidender Bedeutung ist. Zudem müsse die Kirche näher bei den Menschen sein und sich auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft konzentrieren.

Besonders wichtig sei es, in die nachfolgende Generation zu investieren, da Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Schlüssel für die Zukunft der Kirche sind. Die Ausbildung und Qualifizierung von Mitarbeitenden, die mit diesen Zielgruppen arbeiten, habe höchste Priorität.

Abschließend forderte Kanzleiter die Synode und die Kirchenleitung im Oberkirchenrat auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und signifikante Einsparungen und Personalkostenreduzierungen vorzunehmen. Konkret brachte er die Reduzierung von kirchenleitenden Dezernaten, die Abschaffung der Prälatinnen- und Prälaten-Posten ins Gespräch. Die Zeit sei reif für mutige Schritte hin zu einer zukünftigen Kirche, die mit ihren Ressourcen nachhaltig umgeht und gleichzeitig neue Wege wagt. Am Ende seiner Rede zitierte er Fulbert Steffensky: „Ich hielte es tatsächlich für eine Sünde, in der Krise nicht so zu planen, als ob „die Kirche nicht jung ist und ihre große Zukunft noch vor sich hat“

– Von Götz Kanzleiter


Einblick in die Andacht von Ralf Walter

„Manche wünschen sich umgeben von Kirchenglocken-Geläut zu leben. Ich möchte lieber einen Rettungsladen betreiben, einen Meter von der Hölle entfernt.“

Mit diesem Mindset hat sich der englische Missionar Charles T. Studd vor über 100 Jahren aufgemacht. Zu einer Zeit, in der man es sich in unseren Kirchen noch gemütlich machen konnte.

In meiner Andacht am Freitagabend in der Herbstsynode forderte ich uns als Synodale und als Kirche heraus, uns auch aufzumachen. Raus aus unseren Kirchen, in denen es schon lange nicht mehr gemütlich ist. Raus an die Ränder. Raus zu den Menschen. Einfach da sein und das tun, wozu Christus uns beruft:

Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt 5, 16)

– Von Ralf Walter



Lauf, Pinguin, lauf! 

Ein Pinguin kann sich an Land fortbewegen, das klappt. Aber haben Sie ihn schon mal beim Schwimmen beobachtet? Absolut kein Vergleich!  

Jede und jeder von uns hat, biblisch gesprochen, besondere Gaben und Fähigkeiten: werden diese eingebracht und gelebt, ist das wie beim Pinguin im Wasser. Niemand will doch wie der Pinguin am Land tapsig rumstolpern, weil wir Dinge tun müssen, die wir zwar irgendwie hinbekommen, für die wir aber nicht gemacht sind. Deshalb sind wir als Teams zusammengestellt: Wir ergänzen und bereichern uns gegenseitig.  

Das gilt für alle Haupt- und Ehrenamtlichen gleichermaßen. Niemand kann alles, egal welches Amt er oder sie in unserer Kirche bekleidet. Nimmt man diesen Gedanken ernst, ist die zentrale Rolle des Pfarramtes in unserer Kirche ein Problem. Die multiplen Anforderungen müssen zwangsläufig in die Überforderung führen. Andere Menschen kommen dagegen nicht zum Zug mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten. Übrigens können wir schon in Epheser 4 von verschiedenen Fähigkeiten lesen: da werden Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer aufgezählt. Sie haben unterschiedliche Begabungen. Was sie eint, ist das gemeinsame Ziel: Die Gläubigen zu befähigen für ihren Dienst. Sie sollen nicht alles selber machen, sondern die Christen dazu in die Lage versetzen, ihren Glauben zu leben. Heute nennt man das Empowerment. Luther sprach vom Priestertum aller Gläubigen. 

Wie gelingt das? In Epheser 4 heißt es „bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren. … Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält.“ Sprich: Einander zugewandt und verbunden sein, sich nicht auf Kosten anderen aufspielen und für noch wichtiger halten. In Demut die eigene Rolle annehmen und nicht um der Macht willen überall mitmischen wollen – und sich an dem freuen, was andere können und was ihnen gelingt.  

Autonomy, Mastery, Purpose (deutsch: Eigenständigkeit, Können und Sinnhaftigkeit) – mit diesen drei Stichworten beschreibt Daniel Pink die wesentlichen Aspekte, die Menschen motivieren. Etwas eigenverantwortlich tun zu dürfen, das eigene Können ins Werk zu setzen und weiterzuentwickeln und schließlich einen Sinn erleben bei dem, was man tut. Für die Kirche der Zukunft brauchen wir genau das. Menschen, die sich nicht als Handlanger und Lückenbüßer erleben – egal ob Haupt- oder Ehrenamtliche – sondern die Gaben leben, die ihnen von Gott geschenkt sind: mit Verantwortung, Können und Sinn. Ganz im Sinne von Epheser 4. 


Autoren:
Andreas Arnold und Matthias Bredemeier
Vorsitzende von Kirche für morgen

Burnout als Risiko in der Teamarbeit 

…und plötzlich läuft es in der Kirchengemeinde nicht mehr wie gewohnt, weil eine:r im Team wegen Burnout auf unbestimmte Zeit fehlt. Dieses Ereignis kennen viele ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter:innen aus dem eigenen Gemeindeleben. Doch wie kommt es dazu? Und vor allem: Kann man etwas dagegen unternehmen? 

Die Sache auf den Grund gehen 
Bei der Entstehung eines Burnouts treffen immer äußerliche Belastungen mit der inneren Haltung einer Person zusammen (siehe Abbildung 1). Aus dem Aufeinandertreffen dieser Faktoren entstehen Enttäuschungen. Diese steigern die persönliche Belastung. 

Nun: Was fördert die eigene Gesundheit und Widerstandskraft im Auf und Ab unseres Lebens? Die Forschung hat eine ganze Reihe von sog. Resilienzfaktoren ausgemacht. Dabei ist Resilienz die Widerstandsfähigkeit in den Widrigkeiten des Lebens.  

Zu diesen Resilienzfaktoren gehört die Empathie, also das Einfühlungsvermögen. Das haben wir im besten Fall zunächst in uns selbst. Wir können die eigenen Gefühle spüren, sie körperlich sowie sprachlich ausdrücken können und schließlich lernen, sie zu regulieren. Oder wie schon M. Luther sagte: „Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Sorge über deinem Haupt kreisen, aber du kannst dafür sorgen, dass sie nicht Nester in deinen Haaren bauen.“ Ein wichtiger, aber eher unbekannter Resilienzfaktor ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Dabei kommt es nicht auf eine objektive Wirksamkeit an, sondern darauf, dass ich überzeugt bin, dass ich wirksam bin. Ob ich diese Wirksamkeit im beruflichen oder im ehrenamtlichen oder privaten Feld erlebe, ist dagegen nicht so wichtig.  

Resilienz hat damit zu tun, Unterschiede machen zu können, vor allem, wenn ich auf Beschränkungen treffe, die das Leben mir zumutet, und nach Erfahrungen des Scheiterns. Hier geht es um zweierlei: Erstens sollte man unterscheiden, worauf ich Einfluss habe und worauf nicht, um sich mit verbindlichem zu arrangieren. Deshalb wird dieser Punkt auch häufig Akzeptanz genannt. Nach Erfahrungen des Scheiterns gilt es zweitens, resilient statt depressiv zu reagieren: Ich übernehme die Verantwortung für meinen Teil am Scheitern und vertraue darauf, dass es beim nächsten Mal besser gehen wird. 

Zu den eher bekannteren Resilienzfaktoren zählen die Fähigkeit, soziale Netzwerke zu unterhalten und sich an ihnen zu beteiligen: Familien, Freundschaften, ehrenamtliche Arbeit und Teilhabe am Gemeinwesen kann resilient machen. 

Auch gelebte Spiritualität schützt: zu glauben und zu erleben, dass man zu etwas Größerem gehört, zu Gott und zur Menschheit. Genauso zählt realistischer Optimismus zu den Resilienzfaktoren, Betonung auf realistisch. 

Ist Prävention das A und O? 

Äußere Umstände allein machen nie einen Burnout. Der passiert nur in Kombination mit der mangelnden inneren Fähigkeit die äußere Belastung zu bewältigen. Insofern können Verbesserungsvorschläge für die Ausbildung nur das Risiko mindern. Sicher könnte man an der Ausbildung immer wieder vieles ändern. Das geschieht auch. Dennoch kann man nicht verhindern, dass auch die nächste Generation mit ihren eigenen Themen in Krisen und Burnout geraten kann. Viel wichtiger ist dagegen, dass Menschen Bewältigungsmechanismen lernen, die den Resilienzfaktoren entsprechen. Die Forschung hat nämlich nachgewiesen, dass exakt dieselben äußeren Umstände eben manche in den Burnout treiben und andere überhaupt nicht. Das gilt für hauptamtlich arbeitende Menschen ebenso wie für ehrenamtlich Arbeitende. 

Hinweise gegen die Burnout-Spirale 

  • Multitasking vermeiden. 
  • Feste Zeiten für E-Mail-Bearbeitung, Sprech- und Lesezeiten einrichten. 
  • Mit mir selbst und anderen Menschen wertschätzend statt abwertend reden. 
  • Mit Zeitmanagement-Methoden den Zeitdruck mindern. 
  • „Nein“ sagen lernen. 
  • Fehler wohlwollend unter die Lupe nehmen: Welche Erkenntnisse könnte ich daraus gewinnen? 
  • Rollenerwartungen überprüfen. Widersprüchliche Rollen bringen konträre Erwartungen mit sich. Das führt zu hohem Stress: Vorgesetzte:r und Seelsorger:in für dieselbe Person sein zu wollen, ist oft unmöglich! 
  • Unklare Zielvorgaben in klare Vorgaben verwandeln. 
  • Überforderung mir selbst eingestehen und entsprechende Aufgabe abgeben. 
  • Unterforderung und zu viel Routine mit den Kollegen besprechen. Das Team sollte neue Herausforderungen definieren. 
  • Mich von zu hohen Idealen verabschieden, indem ich ein Teil meines Gehaltes als Schmerzensgeld verstehe.  
  • Überstunden mit gutem Gewissen abfeiern! 
  • Meine Beziehung zu Gott und mein soziales Netzwerk pflegen. 
  • Konflikte und Kritik immer face-to-face, niemals schriftlich oder digital. 
  • Zeit für mich allein nehmen, abgesehen von Freund:innen, Hobbies, usw.  
  • Mir regelmäßig und ehrlich die Frage stellen: Fühle ich mich gerade wohl? 
  • Mich für eine gute Sache engagieren
  • Sport so betreiben, dass ich meinen Körper spüre. 
  • Eine Entspannungsübung wählen, die ich auch in Stresszeiten durchführen kann. 
  • Hilfe annehmen. 
  • Jemanden lieben. 
  • Humor kann vermeiden, dass manche Dinge nicht todernst werden und uns im Übermaß frustrieren. 

Autorin:
Dr. Dagmar Kreitzscheck

Zitronenfalter 02/2024

Liebe Leserinnen und Leser,

Wir freuen uns! Der neue Zitronenfalter ist da. Diesmal geht es um das Thema: „Team Works?“ Insbesondere über die Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in der Kirchengemeinde. Über dieses Thema finden Sie verschiedene Beiträge, Methoden und Interviews, wie man eine gute Zusammenarbeit bewirken kann. Interviews wurden zum Beispiel mit der Christchurch Spitalfields in Ostlondon oder dem Jesus-Projekt in Erfurt geführt. Zudem berichtet Dr. Dagmar Kreitzscheck über Präventionen von Burnout in der Teamarbeit und es gibt auch einen kleinen Blick in die Zukunft des Ehrenamts.

Interessiert? Das komplette Heft können Sie hier lesen oder als PDF herunterladen.

Viel Spaß beim Lesen.

Team Works in der Christ Church Spitalfields

Ich (Tobias Stippich) habe nach meinem Abitur ein Jahr in London in der Christ Church Spitalfields in Ostlondon verbracht. Die Teamarbeit dort hat mich sehr fasziniert. Mit Pfarrer Darren Wolf spreche ich darüber, was wir von ihnen lernen können.  

Darren, stell uns deine Gemeinde erst einmal vor. 

Wir gehören zur anglikanischen Kirche und haben ungefähr 300 aktive Gemeindemitglieder, die zwei verschiedene Gottesdienste besuchen, einen morgens um 11 Uhr und einen speziell für Menschen unter 25 abends um 17 Uhr. Wir haben einen weiteren Pfarrer und insgesamt 18 Hauptamtliche in der Gemeinde. Die meisten davon kümmern sich um das Gebäude.  

Die meisten kümmern sich um das Kirchengebäude? 

Ja, so läuft das bei uns. Wir betreiben nämlich auch ein Event-Business, das unseren Kirchenraum für private Feste, Firmenfeiern oder auch Konferenzen vermietet. Das finanziert die kompletten Ausgaben für das 300 Jahre alte Kirchengebäude.  

Welchen Hintergrund haben die verschiedenen Mitarbeitenden?  

Alle im Leitungsteam haben eine theologische Ausbildung. Nicht alle haben darin einen Abschluss oder ein extra Studium absolviert, aber zumindest einen Kurs an der Hochschule besucht. Die Leute, die für uns arbeiten, kommen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen. Sie haben oft davor etwas ganz anderes gemacht und dann gemerkt, dass sie gerne für eine Kirchengemeinde arbeiten wollen.  

Welche Rolle kommt Ehrenamtlichen zu? 

Bei uns arbeiten pro Monat ungefähr 140 Menschen ehrenamtlich in unterschiedlichen Bereichen mit: Gemeindearbeit, Finanzen, Personal, gemeinnützige Aktionen wie unsere Arbeit mit Obdachlosen und Glaubenskursen. Ganz ähnlich wie der Kirchengemeinderat bei euch haben wir einen „church council“, der gewählt wird. Viele Leitungsaufgaben liegen allerdings rein praktisch dann doch bei mir als Pfarrer. Wir versuchen allerdings so gut es geht, Menschen, die nicht ordiniert sind, in jeden Bereich der Gemeinde einzubinden. Deshalb haben wir insgesamt 58 ehrenamtlich Leitende in der Gemeinde, die etwa unsere Hauskreise oder andere Bereiche unserer Gemeinde verantworten. Für deren Ausbildung bieten wir regelmäßig Workshops an. 

In einer Stadt wie London gibt es so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Wie motiviert ihr Menschen? 

Ich habe zwei Tipps für euch. Erstens: Wenn du möchtest, dass Menschen sich in deiner Gemeinde einbringen, dann musst du zuerst in deine eigene spirituelle Entwicklung investieren. Es geht um simple Sachen wie Beten und Bibellesen. Aber auch darum, vorzuleben, was es bedeutet, Christin oder Christ zu sein. Wenn du es nicht vorlebst, warum sollten andere Menschen so leben wollen? Das zweite ist, dass Gemeinden sich nur weiterentwickeln, wenn Leitende Verantwortung delegieren können. Da geht es nicht nur um Aufgaben wie die Lesung im Gottesdienst oder den Kaffeedienst. Es geht darum, Verantwortung abzugeben für wichtige Aufgaben und Bereiche. Dabei sollen Menschen ihre eigenen Erfahrungen und Fehler machen dürfen. 

Was ist dein größtes Learning, wie man Menschen motivieren kann, mitzumachen? 

Ich habe zwei Learnings. Erstens: Es ist sehr schwer, Menschen zur Mitarbeit zu motivieren. In London bemerken wir besonders, wie individualistisch Menschen unterwegs sind und wie stark auch Religion als Konsum verstanden wird. Leute kommen in unsere Gottesdienste und erwarten, dass sie etwas konsumieren können. Da reicht es nicht zu sagen: „Hey, hast du Lust hier mitzuhelfen?“ Sondern man muss auch erklären, warum unsere Gemeinde eine Mitmachgemeinde ist und sich als große Familie versteht, die mehr als nur abspielbares Programm bietet. Und zweitens: Menschen sind auf einem Weg mit unterschiedlichen Startpunkten. Wir stehen deshalb nie vorne und sagen: „Wir brauchen unbedingt Mitarbeiter, damit es auch weiterhin Kaffee vor unseren Gottesdiensten gibt.“ Druck und Zwang mag niemand gerne. Deshalb sind wir immer mit einzelnen im Gespräch und suchen einen passenden Platz für sie, mit dem sie sich wohlfühlen: „Du liebst doch Kaffee. Wäre es nicht eine coole Idee, Menschen Kaffee zu servieren? Magst du das mal ausprobieren?“.  

Vielen Dank dir, Darren, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.  


Autor: Tobias Stippich 
Mitglied im Redaktionsteam 

Theresa Brückner: Loslassen, Durchatmen, Ausprobieren 

Sieben „Todsünden der Kirche“ stellt die Autorin in ihrem Buch auf und präsentiert jeweils eine konstruktive Gegenthese, in der sie ihren Traum von Kirche zeichnet. Im Kap. 3 bedauert sie z.B. den „Überlastungsstolz“ vieler Hauptamtlichen, insbesondere in der Boomer-Generation. Sie wirbt dagegen für eine Kultur der Achtsamkeit. Die Berliner Digitalpfarrerin berichtet aus der eigenen Praxis, bei der sie alle Formate auf den Prüfstand stellt: Sind sie wirklich zielgruppenorientiert? Sie erzählt, wie sie z.B. einen Gottesdienst mit Jugendlichen radikal neu konzipierte (Kap. 2). Sie zeigt auf, wie Kirche nicht nur für die üblichen Verdächtigen da ist (Kap. 4) und wünscht dabei eine ganze Bandbreite an Mitgliedschaftsformen. Anstatt im Hintertreffen zu landen, sollte die Kirche eine Vorbildrolle der Kirche in der Gesellschaft übernehmen (Kap. 5). Schutzmaßnahmen gegen sexualisierte Gewalt stellen für sie keine Nebensache dar, sondern sind ein fester Bestandteil der kirchlichen Arbeit (Kap. 6). Zum Schluss ist Kap. 7 eine wahre Fundgrube mit Tipps für Influencer. Ein Buch zum Wachrütteln! 


Autor:

Blaise Gourget 
Mitglied im Redaktionsteam des Zitronenfalters 

Das Jesus-Projekt

Renate und Hermann Brender sind im Ruhestand aufgebrochen und haben in Erfurt beim Jesus-Projekt ehrenamtlich mitgearbeitet und -gelebt. Das Jesus-Projekt ist eine diakonisch-missionarische Initiative, die 2004 von zwei Ehepaaren und bald dazu zwei Singles ins Leben gerufen wurde. Sie haben in der Platte Wohnungen gemietet und dort mit denen gelebt, die sich arbeits- und perspektivlos am Anlagenbrunnen mit dem Bier in der Hand getroffen haben. Heute arbeitet das Jesus-Projekt mit Kindern und Familien, mit Leuten mit Sozialstunden und im Café als Treffpunkt für Alleinstehende. 

Im Gebiet „Roter Berg“ sind ca. 60 % der Familien auf Staatsleistungen angewiesen. Oft sind Eltern mit der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder überfordert. „Bärenstark“ als Familienbildungsangebot bietet für sie deshalb ein vielseitiges Programm an, wie etwa „kochen und richtig ernähren“ oder „die Natur erleben“. Die Kinder lernen, was sie für ein selbstständiges Leben brauchen und entdecken den christlichen Glauben.  

Im Begegnungszentrum „ANDERS“ bekommen Menschen, die Sozialstunden ableisten müssen oder von Einsamkeit geplagt sind, neue Perspektiven: eine Tagesstruktur, regelmäßige gesunde Mahlzeiten und die Möglichkeit, sich in einer Werkstatt praktisch einzusetzen. Außerdem engagiert sich das Jesus Projekt im Bereich Streetwork und bietet mit Picknicks, Begegnungscafés und Initiativen gegen Einsamkeit ein vielfältiges Angebot für Zielgruppen, die oft vergessen werden. 

Die Mitarbeitenden bilden bis heute eine Lebensgemeinschaft, die das Jesus Projekt trägt. Das Jesus Projekt ist Teil der Diakonie Mitteldeutschland. Organisiert ist es als Verein. Mehr auf www.jesus-projekt-erfurt.de  

Was ich (Hermann Brender) in der Platte für die Zukunft der Kirche gelernt habe

Ich und meine Frau wollten zu Beginn unseres Ruhestandes nochmal etwas Neues kennenlernen und sind auf das Jesus-Projekt, eine sozial-missionarische Initiative in der Erfurter Platte, gestoßen. Dort haben wir die letzten sechs Jahre als Teilzeitthüringer mitgewirkt. Drei Dinge habe ich gelernt:   

Beteiligung statt Konsum 

Im Jesus-Projekt werden viele einbezogen. Hauptamtliche, Ehrenamtliche und selbst Teilnehmende mit Suchthintergrund arbeiten selbstverständlich gemeinsam. Ich denke, Menschen halten sich zur Gemeinde, wenn sie beteiligt werden und nicht nur eingeladen sind zu dem, was andere ihnen vorsetzen. Das zeigt sich z. B. auch an den Vesperkirchen bei uns im Ländle, in denen enorm viele Ehrenamtliche engagiert mitarbeiten. Die Zeit, in der einfach nur Predigten und Gottesdienste konsumiert werden, ist aus meiner Sicht vorbei. Die Zukunft gehört dem gemeinsamen Gestalten.  

Wertschätzung als Schlüssel  

Manchmal habe ich in unserer Kirche das Gefühl, dass ehrenamtliches Engagement als Einmischung, sogar als Bedrohung angesehen wird. Denn wo viele sich einbringen, da sprengt das oft die Statik einer ordentlich verwalteten Gebietskörperschaft. Wenn überhaupt, dann sollen nur Menschen mitarbeiten, die aufgrund ihrer Ausbildung, ihres Berufs oder ihrer Begabungen viel Kompetenz mitbringen. Im Jesus-Projekt habe ich das anders erlebt: Hier wurde auch Menschen etwas zugetraut, die sonst das Gefühl haben, ungebraucht und ungeeignet zu sein. Für viele war es eine echte Ehre, wenn sie für die Mitarbeit angefragt wurden. Manche haben zum ersten Mal erlebt, dass sie etwas Wichtiges beitragen können und ihnen dafür öffentlich gedankt wird. Diese ehrliche Wertschätzung prägt die ganze Arbeit des Jesus-Projekts. Ich bin immer mehr davon überzeugt: So geht Reich Gottes!  

Mit- statt Gegeneinander 

Beim Jesus-Projekt sind Menschen aus ganz unterschiedlichen christlichen Gemeinden mit dabei und haben sich in verschiedenen Konstellationen ergänzt. Das hat mich begeistert! Bei diakonischen Diensten ist die Zusammenarbeit über Kirchengrenzen hinweg oft problemlos möglich, ohne dass man Gottes Wort beiseitelassen muss. Gemeinden sollten deshalb viel enger mit Diakonie und Caritas zusammenarbeiten. Das öffnet unserer Erfahrung nach auch Räume für Menschen, denen der intellektuelle Zugang unserer Gottesdienste nicht liegt.  

Rückblick auf die Sommersynode 2024

„Herberge der Mündigkeit“ – Ja, aber wirklich.

Von einer „Herberge der Mündigkeit“ sprach Landesbischof Gohl in seinem Bericht zur Kirche der Zukunft und davon, dass Kirchenmitglieder als Teil einer solchen nicht länger Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger kirchlicher Zuwendung sein sollen, sondern vielmehr mündige Mitgestalterinnen und Mitgestalter einer kleiner werdenden Kirche sein dürfen.

Britta Gall forderte in ihrem Votum zu seinem Bericht, dass diese Mündigkeit ernsthaft ermöglicht wird. Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen zum Mitgestalten bleiben. Die Mündigkeit der Ehrenamtlichen muss nicht nur ermöglicht, sondern rechtlich abgesichert werden. Dazu muss wo nötig, auch Kirchenrecht und -verfassung geändert werden.

– Von Britta Gall


Sparen ist angesagt

Finanzthemen standen im Mittelpunkt des Samstagvormittags. Der Oberkirchenrat hat eine Strategie vorgestellt, wie wir die Versorgung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der Kirchenbeamten und -beamtinnen im Ruhestand sicherstellen können. Wegen einem fehlenden Deckungskapital von ca. 1 Mrd. Euro schlägt der Oberkirchenrat deshalb vor, in den kommenden Jahren jährlich 129 Mio. Euro im Haushalt einzusparen.

Für den Gesprächskreis Kirche für morgen machte Matthias Böhler in seinem Gesprächskreis-Votum klar, dass wir die Notwendigkeit dieser Einsparungen sehen. Gleichzeitig halten wir aber eine grundsätzliche Diskussion über Systeme und Strukturen für dringend notwendig. „Eine Kirche, die von der Basis gebaut wird, braucht keinen Staatsapparat. Sie kommt mit weniger Bürokratie und weniger Verwaltung aus und braucht deshalb keine Beamte. Die Kirche der Zukunft ist eine Ehrenamtskirche.“, so Matthias Böhler. Für Kirche für morgen ist es wichtig, dass auch in zukünftigen Haushalten Freiräume für Projekte und neue Aufbrüche vorhanden sind, um auf aktuelle Veränderungen in der Gesellschaft eingehen zu können – für eine Kirche nahe bei den Menschen. Bei allen Diskussionen um Einsparungen hat für Kirche für morgen die Investitionen in Menschen Vorrang vor teuren und prestigeträchtigen Häusern. Außerdem ist uns die Förderung des Ehrenamts und Investitionen in die Jugendarbeit wichtig. 

-Von Matthias Böhler


Und der viele Sand im Getriebe

Der Vorsitzende des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung und Kfm-Synodale Kai Münzing stellt Folgendes fest: „Die Verwaltungsstrukturreform ist alternativlos und gleichzeitig stelle ich dennoch die Frage, wie weit wir an vielen Stellen Meilenweit von der eigentlichen Vision einer zukunftsfähigen und zugleich dienenden Verwaltung weg sind?!“ 
„Wir brauchen keine VerhinderInnen, sondern kreative LösungsfinderInnen und ChancemanagerInnen“, so Kai Münzing weiter. 

– Von Kai Münzing


Was Kfm einbrachte

Bei der Sommersynode haben wir vier Anträge eingebracht: Einen Antrag zur „Entwicklung neuer Konzepte für eine wirtschaftliche Immobiliennutzung“ (Oliver), einen Antrag zur „Stärkung des Dienstes von Prädikantinnen und Prädikanten“ (Kai) und einen Antrag zur „Konfirmation bei Nichtteilnahme am Religionsunterricht“ (Marion). Auch haben wir nach den Rückmeldungen zur letzten Bischofswahl einen Antrag eingebracht, um die nächste Bischofswahl anders zu regeln (Matthias). Wir schlagen z. B. vor, dass man zukünftig nach dem dritten Wahlgang auf eine 2/3 Mehrheit verzichtet und es dann reicht, den Landesbischof mit der Mehrheit aller Synodalen zu wählen. 

– Von Oliver Römisch


Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen

Hier ein kurzer Auszug aus der Andacht von Götz Kanzleiter, die er am Freitagvormittag im Synodalplenum halten konnte:

Das Wort des Paulus aus Gal. 6,2 erinnert daran, dass wir nicht allein leben. Gott hat uns als Beziehungswesen geschaffen. Es ist unsere schöpfungsgemäße Bestimmung, füreinander da zu sein, dazu gehört das Mit-Tragen an der Last des anderen und der anderen. Und genauso gehört dazu das Mit-Getragen-Werden durch andere. 

Im zweiten Teil des Verses steckt ein genialer Zuspruch. Ich bin nicht allein, egal was kommt. Gottes Plan rechnet mit Gemeinschaft. Es gibt jemanden, der mich trägt, der mitträgt… auch wenn bei mir nichts mehr geht. Eine himmlische Vision vom Zusammenleben, ein Traum- Raum für gelingendes Leben.

Das Gesetz Christi ruft uns in die tragende Gemeinschaft von Mann und Frau, von Partnerinnen und Partner, von Brüdern und Schwestern, von Eltern und Kindern, von Alt und Jung, von Nachbarn und Fremden, in Dorf und Quartier. 

Und erkennen, wie zutiefst menschlich, wie tragfähig und wie wunderbar dieses Gesetz Christi ist. Er trägt als erster und letzter mit an unseren Lasten. Gott sei DANK. 

– Von Götz Kanzleiter