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Die Zukunft ist sein Land – Update aus der EKD

„Hallo, ich würde gerne mein Zimmer beziehen.“ „Warten Sie damit bitte noch, vermutlich wird die Tagung pandemiebedingt spontan digital stattfinden.“ Wir Synodalen in der Lobby des Maritim Hotels in Bremen erstarren zu Salzsäulen, während um uns herum Verantwortliche chaotisch im Kreis herumirren. Die Gesichter zeigen Enttäuschung. Die Münder sind von Masken verdeckt, offen vor Fassungslosigkeit. Die Augen starren bedeutungslos auf den Marmorboden. Nach rund 30 Minuten reise ich mich aus dem Delirium und buche einen Zug zurück nach Tübingen, um meine 14 Stunden Fahrzeit für diesen Tag noch vollzumachen. 

Meine erste reguläre Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland war emotional kein Kickstart. Umso überraschender war für mich die positive Stimmung, die schon im Laufe des ersten digitalen Tages aufkam. Wir machen das Beste draus! Außerdem sind die Themen zu wichtig, um sie aufzuschieben.

Sexualisierte Gewalt in der EKD

Wichtig war der Nachmittag zum Thema sexualisierte Gewalt. Ich war sehr beeindruckt und bewegt von den Berichten der Betroffenen, die uns den Finger in konkrete, systemische Wunden gelegt haben. Wir sind schuldig geworden, nicht nur wegen der Taten selbst, sondern auch wegen der mangelhaften Aufklärung und den vielen Stellen, an denen unsere Behörden-förmigen Systeme Betroffene im Stich gelassen haben. Ein nächster Schritt bei diesem Thema wird eine Neuausrichtung der Betroffenenbeteiligung sein, die wir verabschiedet haben. Das Thema soll zudem ab jetzt fortlaufend auf zukünftigen Synoden bearbeitet werden. Ich finde es gut, dass auch die Landessynode sich im Herbst weiter damit beschäftigt.

Ratswahl

Und dann war da die Ratswahl. Der Rat ist das sichtbarste Gremium der EKD und meiner Meinung nach auch das wichtigste, denn dort werden die aktuellen Fragen bearbeitet. Diese Wahl dauerte in diesem Jahr satte zehn (!) Stunden und gleicht einem American-Football-Spiel. Es wird angepfiffen, abgestimmt, nur um dann direkt danach wieder eine ewig lange Auszeit einzuschieben, in der man in Teams zusammensteht und die Strategie abstimmt. Damit eine Person in den Rat gewählt wird, braucht es eine sportliche 2/3-Mehrheit. Das klingt mega complicated, lohnt sich aber auch, denn wir haben dadurch eine wirklich diverse Mischung an Personen zusammengestellt, die ich euch hier auf Instagram vorgestellt habe. Besonders freut mich, dass mit Josephine Teske (@seligkeitsdinge) eine Digitale-Kirche-Native mit am Start ist. Besonders Leid tut es mir für Tobias Faix, der ein echter Gewinn für Zukunftsprozesse gewesen wäre. Leider gibt es auch niemanden aus den Südkirchen (Baden/Bayern/Württemberg) im Rat, das wird sich aber vielleicht in drei Jahren ändern, wenn Volker Jung in den Ruhestand geht und wir nachwählen. 

Die neue Ratsvorsitzende

Annette Kurschus, die Präses (» Bischöfin) von Westfalen, wird als Ratsvorsitzende den Platz von Heinrich Bedford-Strohm einnehmen und damit das neue Gesicht der Evangelischen Kirche in den Medien sein. Das gefällt mir. Bekannt wurde sie unter anderem durch ihre Gedenkfeier zum Germanwings-Flugzeugabsturz. Sie ist eine begnadete Predigerin, Seelsorgerin und möchte in der Öffentlichkeit Glaubensthemen in den Vordergrund stellen. Politisch will sie Klimaschutz nach vorne bringen und die Aufarbeitung von sexueller Gewalt zur „Chefinnensache“ machen. Mit ihr, Kirstin Fehrs und Anna-Nicole Heinrich haben wir damit erstmals ein weibliches Trio an der Spitze der EKD. Nice!

Schockstarre

Ich habe das Gefühl, auch unsere Kirche steht aktuell teilweise noch in der Salzsäulen-Schockstarre. Die Gesichter zeigen Pandemiemüdigkeit. Die Münder stehen fassungslos offen vor dem Bedeutungsverlust der Kirchen. Die Augen starren paralysiert in die kirchliche Landschaft. Symbolisch dafür ist der Ausfall des Synoden-Thementags „Die Zukunft ist sein Land“, an dem wir uns dem für Zitronen so wichtigen Thema Kirchen- und Gemeindeentwicklung widmen wollten. Fiel der Umorganisation zum Opfer.

Aber zurückzuschauen auf das Land, das wir verloren haben, paralysiert uns. Ich möchte uns dazu ermutigen, uns aus diesem Delirium herauszureißen. In den fahrenden Zug einzusteigen. Mitzugestalten. Den Kurs zu ändern. Auf der EKD-Ebene sind wir mit dem neuen Rat gut aufgestellt. Nun geht es darum. weiter hoffnungsvoll nach vorne zu schauen in die Zukunft. Denn er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land. Das macht Hoffnung!

Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen.
Das Land ist hell und weit. (EG 395)

David Lehmann, Synodaler für Württemberg und Kfm in der Synode der EKD