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Kirche 2060 – Eine Stellungnahme von Jens Schnabel

Am 2. Mai wurde eine Studie des „Forschungszentrums Generationenverträge“ an der Universität Freiburg veröffentlicht (https://www.spiegel.de/…/kirchen-verlieren-bis-2060-die-hae…). Die darin enthaltene Projektion prognostiziert für das Jahr 2060 eine Halbierung der Kirchenmitgliederzahlen in Deutschland. Die größte Ursache für diese Entwicklung liegt nicht im demographischen Wandel, sondern in kircheneigenen Faktoren, allen voran, an der hohen Zahl der Kirchenaustritte, so die Studie.
Aus dieser Untersuchung wird deutlich, dass ein strukturelles „weiter so, wie bisher“, mit weniger Pfarrpersonen und Hauptamtlichen, der falsche Ansatz ist. Als Reforminitiative „Kirche für morgen“ fordern wir daher schon seit langem, dass wir als Kirche konsequent neue Wege beschreiten müssen!
Die Kirche muss den Auftrag annehmen, die Alltagsrelevanz des christlichen Glaubens für alle Menschen deutlich zu machen. Damit dies geschieht, braucht es christliche Aufbrüche in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus.
Die Inhalte des Glaubens sind maßgebend, nicht lieb gewordene Traditionen oder historische Strukturen. Neue Ideen und Formen gelebten Glaubens müssen zugelassen werden und auch die Finanzströme entsprechend gelenkt werden. „Kirche für morgen“ fordert deshalb, dass in der Kirche mindestens 10% aller finanziellen und personellen Mittel in neue Aufbrüche investiert werden.
Es ist sehr erfreulich, wenn in der Pressemeldung der Württembergischen Landeskirche zur Studie der Uni Freiburg (https://www.elk-wue.de/…) der jesustreff in Stuttgart (vgl. www.jesustreff.de) als positives Beispiel genannt wird. Solange aber diese Wertschätzung keine finanzielle Unterstützung beinhaltet, die vergleichbar mit traditionellen parochialen Gemeinden ist, ist der Wille zur Veränderung und zu neuen Aufbrüchen nicht erkennbar.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine zukunftsfähige Kirche besteht in der Qualifikation der Ehren- und Hauptamtlichen. Ein Großteil aller Mitarbeitenden stammt aus wenigen Milieus und spricht auch nur Menschen aus diesen Milieus an. Es fehlt an Möglichkeiten der Qualifikation für Menschen aus anderen Milieus, Weiterbildungen für Pioniere, die neue Wege beschreiten wollen und es fehlt an alternativen Zugängen zu Pfarrberuf und Diakonat. Wenn die Kirche für alle Menschen da sein will, braucht es auch an dieser Stelle mehr Flexibilität und Weite.

Aus unserer Sicht reicht es nicht aus, unsere traditionellen Kirchengemeinden zu optimieren oder klassische kirchliche Sonderdienste (wie Krankenhausseelsorge, Studierendenarbeit oder kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt u.a.) auszubauen, wie dies die Offene Kirche fordert.
Die Kirche in Deutschland im Jahr 2060 mag kleiner sein. Sie soll trotzdem ihren Platz in der Gesellschaft haben. Daher brauchen wir heute schon überparochiale Gemeindeformen, Kirche an anderen Orten und neue Ausdrucksformen des Glaubens („fresh expressions of church“, kurz Fresh X), damit Menschen aus allen Milieus und gesellschaftlichen Schichten einen Zugang zu Glaube und Kirche finden.
Auch 2060 wird es in Deutschland viele Christen geben. Die Frage ist allerdings, ob sie bei uns in der Landeskirche eine Heimat finden, oder nicht.

Dr. Jens Schnabel, Gemeindepfarrer in Sindelfingen, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen