Ein einzigartiges Wahlsystem – Kommentar zur skandalösen Pressemeldung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg am 29.08.2019

Unter der verheißungsvollen Überschrift „Ein einzigartiges Wahlsystem. Nur Württembergs Protestanten wählen ihr Kirchenparlament direkt“, konnte man am vergangenen Donnerstag eine Pressemeldung auf der Internetseite der Württembergischen Landeskirche lesen.

Erstaunlicherweise bleibt der Text dann aber nicht bei einer positiven Würdigung des Wahlsystems, sondern beschäftigt sich zum größeren Teil mit angeblichen „Nachteilen der Urwahl“. Dabei werden keine wirklich stichhaltigen Argumente vorgetragen. So heißt es: „Der Aufwand für eine Urwahl ist für Kirche und Kandidaten sehr viel größer. Vorausgeht ein Wahlkampf, der Zeit und Kraft kostet.“ Das stimmt. Aber Demokratie ist nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.

Wer die Kirchenglieder ernst nimmt und sie an den zentralen Entscheidungsprozessen beteiligen möchte, wird diesen Aufwand nicht scheuen. Ganz im Gegenteil: Nur durch einen Wahlkampf wird deutlich, welche unterschiedlichen Optionen es für den Weg in die Zukunft der Kirche gibt und dass es sich lohnt, sich zu beteiligen und sich einzubringen.

Auch das nächste Argument gegen die Urwahl der Synodalen in die Landessynode überzeugt nicht: „Die Profilierung der Gesprächskreise, die Parteien ähneln, führt zu Fraktionierungen.“ Wo ist da das Problem? Kirche ist nie ein Einheitsbrei, sondern eine versöhnte Verschiedenheit. Unterschiedliche Meinungen sind kein Problem, sondern ein Schatz und eine Chance.

Auch das abschließend vorgebrachte, angebliche „theologische Problem“, ist nicht stichhaltig. Dass in der Geschichte der Reformation die meiste Zeit die Landessynoden mit Delegierten aus den Leitungsgremien der Kirchengemeinden und nicht mit direkt gewählten Vertretern des Kirchenvolkes besetzt waren, liegt vor allem an der Tatsache, dass das Umfeld der Kirche eine Monarchie war. Demokratische Beteiligungsformen sind im Staat und in der Kirche eine jüngere Entwicklung. Es ist Menschen nicht vorzuwerfen, wenn sie etwas nicht hatten, was sie nicht kannten. Will der Autor etwa wieder zurück zu einer monarchisch verfassten Kirche, in der es nur eine von oben verordnete Meinung gibt?

Der in der Pressemeldung am Ende zitierte Hinweis des Vorsitzenden des Rechtsausschusses Christian Heckel, „Es gebe keinen Grund, auf die Urwahl stolz zu sein, denn auch für andere Systeme sprächen gute Gründe.“, lässt einen ratlos zurück. Gerade in Zeiten von sinkenden Kirchenmitgliederzahlen und wachsender Demokratiefeindlichkeit im Land muss doch die Demokratie gestärkt werden!

Dieser Artikel motiviert jedenfalls nicht, zur Wahl zu gehen. Schade!

Warum die Württembergische Landeskirche einen solch einseitigen Text des Evangelischen Pressedienstes auf ihrer Internetseite veröffentlicht, ist nicht nachvollziehbar.

Als Kirche für morgen stehen wir für mehr Beteiligung und mehr Demokratie in der Kirche und nicht für deren Abbau. Wir sind stolz auf die Urwahl der Synodalen in die Landessynode.

Dr. Jens Schnabel, Gemeindepfarrer in Sindelfingen, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen