Vom 4. bis 6. Juli 2019 tagte die 15. Württembergische Evangelische Landessynode im Hospitalhof Stuttgart. Was wurde diskutiert, was wurde beschlossen, wie haben sich die Synodalen der Reform-Initiative Kirche für morgen eingebracht? Was haben sie angestoßen und bewegt? Lesen Sie dazu die Berichte unserer Synodalen mit zitronenfrischen Eindrücken aus Stuttgart.
Inhalt
- Abschlussbericht Maßnahmepaket I Diakonat – Ein Abschluss, der nicht abgeschlossen werden darf – von Martin Allmendinger
- Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens in Württemberg – Signal zum Aufbruch – von Tobi Wörner
- Nachhaltige Förderung der Kindergartenarbeit – Für ein Ende des Schattendaseins – von Kai Münzing
- Kirchengesetz zur Einführung von Personalgemeinden auf Kirchenbezirksebene – Einbindung von neuen Gemeindeformen – von Willi Beck
- Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 – Viel Geld für wenig Neues – von Kai Münzing
- Wahl/Bestätigung von Oberkirchenräten durch die Landessynode – Es bleibt beim alten System – von Peter L. Schmidt
1. Abschlussbericht Maßnahmenpaket I Diakonat – Ein Abschluss, der nicht abgeschlossen werden darf
Die 14. Landessynode hatte bei ihrer Beschäftigung mit dem Diakonat u.a. den Sonderausschuss Diakonat ins Leben gerufen, dessen Vorsitzender Martin Allmendinger war. Dieser erarbeitete ein Maßnahmenpaket, dessen Ergebnisse OKR Dr. Norbert Lurz nun in einem umfangreichen Bericht vorgestellt hat.
Der Kfm-Synodale Martin Allmendinger hat diesen Bericht im Auftrag des Ausschusses für Diakonie kritisch ergänzt.
Dabei machte er deutlich, dass vieles auf den Weg gebracht, jedoch die Zukunftssicherung des Diakonats erst ansatzweise erreicht werden konnte. So konnten beispielsweise durch gelungene Projekte etliche Arbeitsbereiche im Diakonat neu konzipiert, erprobt und evaluiert werden.
Jedoch konnte die Fragestellung einer zentralen Anstellung nicht wunschgemäß erprobt werden. Dies scheiterte bislang an der Bereitschaft vieler Anstellungsträger (meist Kirchenbezirke), sich auf eine Strukturerprobung einzulassen, obwohl die Angebote der Landeskirche mit großem finanziellem wie personellem Aufwand gefördert wurden und werden.
Manches ist auf den Weg gebracht, vieles angedacht und in der Praxis erprobt. Jedoch sind wir für eine nachhaltige Zukunftssicherung des Diakonats auf einem steinigen Weg.
Mit der Änderung der Präambel des Diakoninnen – und Diakonengesetzes im Jahr 2013 hatte die Landessynode den Weg für weitere dringend notwendige Gesetzesänderungen geebnet. Leider ist diesbezüglich in den vergangenen sechs Jahren nichts passiert. Dies wurde vom Martin Allmendinger heftig kritisiert. Er forderte den Oberkirchenrat auf, zum Beginn der 16. Synode endlich Ergebnisse vorzulegen. Wir von Kfm sind gespannt und werden scharf beobachten, bis wann welche Veränderungen zur Zukunftssicherung dann in die Synode eingebracht werden.
Das Maßnahmenpaket I sollte mit diesem Abschlussbericht zu einem Ende gebracht werden, ist aber für die meisten Synodalen wohl ein Potemkin’sches Dorf geblieben. Nachfolgerinnen und Nachfolger in der kommenden Synode haben dafür zu sorgen, dass dieser Bericht nun doch in eine gute Zukunft des Diakonats führt.
Hier geht’s zum Bericht von Martin Allmendinger und hier zum Bericht von OKR Lurz.
von Martin Allmendinger
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2. Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens in Württemberg – Signal zum Aufbruch
Halbierung der Kirchenmitgliederzahlen bis zum Jahr 2060 – das ist deftig! Fabian Peters von der Uni Freiburg war zu Gast auf der Synode und präsentierte die Ergebnisse seiner Forschung: Die Projektion der Entwicklung der Kirchenmitglieder in den nächsten Jahrzehnten. Wie gut, dass dieses Thema nun richtig zentral ins Plenum gebracht wurde.
Die Studie sagt: Nur die Hälfte des Mitgliederschwundes ist der Demografie geschuldet – die andere Hälfte liegt an gut beeinflussbaren Faktoren. Darüber diskutieren wir von Kfm natürlich gerne!
Bei diesem Thema kommen die Unterschiede der Gesprächskreise, besonders im Bezug zum Kirchenbild, sehr deutlich zum Vorschein.
Der Kfm-Synodale Tobi Wörner sagte in seinem Votum vor der Synode:
„Herausfordernde Phänomene sind eine Einladung in die Weite. Heute ist dran, über tatsächliche Kirchentransformation zu reden.
Öffnen wir uns für die Unerreichten – Mitglieder und Nicht-Mitglieder.
Öffnen wir uns für die Milieus, von denen wir jetzt echt schon lange reden.
Öffnen wir uns für die Alterszielgruppe, die am häufigsten austritt: Junge Erwachsene. Öffnen wir uns für verschiedene Gottesdienststile. Wirklich.
Öffnen wir uns für eine neue theologische und strukturelle Weite.
Wie wollen wir das tun?
Wir sagen: 10 % für den Aufbruch! Lassen wir 90 % unserer kirchlichen Arbeit gern so weiterlaufen wie bisher UND investieren wir 10 % für Neues.
Stellen Sie sich das mal vor: 10 % der Finanzen gehen in Innovationen. 10 % des Personals setzen wir für Menschen ein, die wir bisher noch nicht erreichen. 10 % unserer Tagesordnungspunkte beschäftigen sich mit neuen Ideen für die Zukunft. Und 10 % unserer Ressourcen richten wir so aus, dass Nicht-Mitglieder davon profitieren. Das wär doch mal eine Öffnung, die in die Weite führt.“
Dafür stehen wir von Kfm auch in der Zukunft.
Hier geht es zum gesamten Votum und hier zur Präsentation von Fabian Peters
von Tobi Wörner
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3. Nachhaltige Förderung der Kindergartenarbeit – Für ein Ende des Schattendaseins
Sämtliche Erkenntnisse diverser Milieuuntersuchungen zeigen den großen Schatz der Evangelischen Kindergartenarbeit. In keinem anderen Arbeitsfeld der Kirchengemeinden ist die Möglichkeit so groß, über die Eltern- und Familienarbeit gemeindenahe, sozialdiakonische Arbeit in den sogenannten Sozialräumen und Quartieren einer Gemeinde als Kirche gestalten zu können.
Dennoch, und wider besseres Wissen, wurde Evangelische Kindergartenarbeit seitens der Kirchenleitung und einiger Gesprächskreise nur in Schaufensterreden in den Fokus gerückt.
Deutlich wird dies daran, dass Kindergartenarbeit weder zu höheren Kirchensteuerverteilbeträgen führt, noch dass sie Einfluss auf Pfarrplanberechnungen hat!
Kirche für morgen, insbesondere Kai Münzing, hat sich während der 15. Landessynode sehr stark für die Unterstützung der Evangelischen Kindergartenträger sowohl im Bereich der dauerhaften Finanzierung als auch im Bereich der Verwaltungsunterstützung eingesetzt.
Beides konnte nun auf unsere Initiative hin zum Ende der Legislatur realisiert werden und dient der Entlastung der Kirchengemeinden und den Pfarrer*innen in den Gemeinden.
Hier findet sich der entsprechende Antrag – kurz und knapp.
von Kai Münzing
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4. Kirchengesetz zur Einführung von Personalgemeinden auf Kirchenbezirksebene – Einbindung von neuen Gemeindeformen
2014 haben wir einen Antrag (14/14) mit der Bitte um adäquate Einbindung von neuen Gemeindeformen in die Landeskirche eingebracht.
Nach langem Ringen wurde das Anliegen jetzt mit großer Mehrheit in Gesetzesform gegossen: In Zukunft wird es also möglich sein, dass neue Gemeindeformen auf Kirchenbezirksebene angesiedelt werden können und die Enge der Parochie aufgelöst wird. Personale Gemeinden im Kirchenbezirk werden in die kirchenbezirkliche Arbeit integriert, das Leitungsgremium wird zum Kirchengemeinderat, der – wie in den anderen Kirchengemeinden auch – für 6 Jahre von ihren Mitgliedern gewählt wird.
Freilich können die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch als Verhinderungsbedingungen wahrgenommen werden. Trotzdem, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass neue Initiativen, die sich zu Gemeinden entwickeln, eigene Strukturen abbilden, Mitglieder haben, Personal anstellen können usw. und dabei eine weitere Möglichkeit zur Anbindung an die Landeskirche haben.
Ihr Haushalt wird als Sonderhaushalt beim Kirchenbezirk geführt, ab 150 Mitgliedern kann eine Bezirksanbindung erfolgen; ihr Personal zählt nicht zum Stellenplan des Kirchenbezirks.
Darauf kann man aufbauen, unsere Kirche bewegt sich schrittweise. Kirchensteuern erhalten diese Personalgemeinden jedoch nicht. Diese folgen nach wie vor dem Wohnort, an dem ihre Mitglieder wohnen und gehen an die jeweilige parochiale Kirchengemeinde. Eine Veränderung in dieser Sache bleibt einer kommenden Synode vorbehalten.
Nun gilt es, mutig vorwärts zu gehen, so dass sich weitere Personalgemeinden herausbilden und die Kirchenbezirke bereichert werden.
Hier findet sich das Gesetz, das zum 1.1.2020 in Kraft treten wird.
von Willi Beck
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5. Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 – Viel Geld für wenig Neues
Unser Kfm-Synodaler Kai Münzing, stellvertretender Vorsitzender des landeskirchlichen Finanzausschusses, hielt das Gesprächskreisvotum zur Mittelfristigen Finanzplanung der Landeskirche, die von OKR Dr. Martin Kastrup vorgetragen worden war.
Wiederholt legte er den Finger in die Wunde, dass die Finanzmittel der Landeskirche im engeren Sinne und auch die der Kirchengemeinden nach wie vor in die Erhaltung von vorhandenen Strukturen und veralteten, verkrusteten Angebotsformen fließen. Sehr viel tiefer ist allerdings die Wunde, dass nach wie vor keine oder zumindest viel zu wenig Mittel in Neues und Innovatives investiert werden.
Mit seiner Forderung, 90 % für die Bewahrung und Fortführung von Bewährtem und 10 % für Innovatives und Neues (sozusagen für Startups) einzusetzen, knüpfte er unmittelbar an das Votum von Tobi Wörner an.
Hier geht es zum Votum und hier zum Bericht von Dr. Kastrup.
von Kai Münzing
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6. Wahl/Bestätigung von Oberkirchenräten durch die Landessynode – Es bleibt beim alten System
Kirche für morgen will eine Beteiligungskirche, eine Kirche von unten – da sind wir uns einig!
Darum unterstützten die meisten unserer Synodalen auch von Herzen einen Antrag der Offenen Kirche, der zum Ziel hatte, unsere Kirchenverfassung dahingehend zu ändern, dass bei der Wahl der Mitglieder des OKR-Kollegiums ein Letztentscheidungsrecht der Synode eingeführt wird, und wenn es auch nur darin besteht, die Wahl, die der Landeskirchenausschuss durchführt, zu bestätigen.
Der Antrag stellte auch stärkere Mitwirkungsrechte wie z. B. die Direktwahl der Kollegiumsmitglieder durch die Synode zur Disposition. Leider konnte sich die Mehrheit der Synode, v. a. getragen durch die konservative Mehrheit (LG) und die sog. Mitte (EuK), nicht einmal zur sanftesten Mitwirkungsmöglichkeit durchringen.
Auch wenn wir manche Bedenken (z. B. die Sorge, dass der für die Wahl zuständige Landeskirchenausschuss geschwächt wird) ernst nehmen, bedauern wir es, dass sich die Synode an dieser Stelle wieder einmal nicht mutig und veränderungsbereit gezeigt hat.
Hier findet sich der Antrag nebst Begründung.
von Peter L. Schmidt
Die Berichterstattung der Landeskirche finden Sie hier.