Plakataktion am 31. Oktober

Am Reformationstag standen zahlreiche Kandidatinnen und Kandidaten von Kirche für morgen an ihren Kirchentüren, um einen neuen Aufbruch in der evangelischen Landeskirche zu proklamieren. Symbolisch wurde dazu unser Plakat „Aufbruch für morgen“ angeschlagen.

Im Schwarzwälder Boten wurde von der Aktion unseres Kandidaten Götz Kanzleiter berichtet. Unter dem Titel „Plakataktion soll aufrütteln“ können Sie ausführlich darüber lesen. Götz Kanzleiter vertrat bereits in der letzten Synode zitronenfrische Inhalte und tritt erneut in seinem Wahlbezirk Nagold / Calw / Neuenbürg für einen Einzug in die Synode an.

Über seine Erfahrungen aus den sechs Jahren in der Synode berichtete er in unserem letzten Newsletter zur Herbstsynode.

Kommentar zum Wahlprogramm der Lebendigen Gemeinde

Das Wahlprogramm der Lebendigen Gemeinde steht unter der Überschrift „Wir lieben Gemeinde“. Spontan frage ich mich: „Nur Gemeinde? Was ist mit den Menschen, die sich nicht zur Gemeinde zählen? Was ist mit Gott? Und welche Gemeinde ist eigentlich gemeint? Nur die Gottesdienst-Gemeinde am Sonntagmorgen? Oder auch die Fernseh-Gottesdienst-Gemeinde? Die Heilig-Abend-Gemeinde? Die Akademie-Gemeinde in Bad Boll?“ …

Bei der Lektüre finde ich schon bald eine mögliche Antwort auf diese Frage. Da heißt es: „Kirche ist, wo Gemeinde lebt“ (S. 5). Es geht also um die lebendige Gemeinde. Das ist ja der Name des Gesprächskreises! Ist der Titel dann so zu verstehen: „Wir lieben die Lebendige Gemeinde“, also uns selbst?

Selbstliebe ist ja kein Fehler. Aber wenn man mit der Liebe einsteigt, orientiert man sich vielleicht besser am Doppelgebot Jesu, und damit auch an der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Jedenfalls wirkt diese Überschrift auf mich sehr eng.

Dieser erste Eindruck bestätigt sich bei der weiteren Lektüre. Mit 44 Seiten auf DIN A 4 ist der Umfang der Veröffentlichung der Lebendigen Gemeinde zur Kirchenwahl beachtlich. Die einzelnen Beiträge erwecken allerdings nicht den Eindruck, dass es hier um ein Wahlprogramm zur Information aller Wahlberechtigten geht. Vielmehr soll wohl die eigene Wählerschaft abgeholt und auf kommende Veränderungsprozesse vorbereitet werden. In ihren Köpfen sollen „Barrieren abgebaut werden“ (S. 29). Wer sonst ist gemeint, wenn gefordert wird: „Weniger Rechthaberei, mehr Heiliger Geist. Weniger Beschäftigung mit sich selbst, mehr missionarische Aufbrüche“ (S. 37) und „Trauen wir uns doch und wachsen über uns hinaus!“ (S. 23)

Was der Zeitschrift der Lebendigen Gemeinde zur Kirchenwahl insgesamt fehlt, ist eine klare Struktur. Schon gleich am Anfang der Broschüre werden zwar neun zentrale Punkte für den Gesprächskreis Lebendige Gemeinde benannt. Die Zusammenfassung am Ende des Heftes besteht dann jedoch aus elf Punkten und nur fünf sind deckungsgleich. Was nun? Was gilt? Alles? Und das doppelt benannte besonders?

Positiv fällt auf, dass die Lebendige Gemeinde eine Hoffnung für die Kirche hat und sich neuen Formen von Kirche aufgeschlossen zeigt. Allerdings bleibt offen, was sie unter Kirche versteht. Der Satz, „Kirche ist, wo Gemeinde lebt“ (S. 5), reicht nicht aus. Denn, wer definiert, was Gemeinde ist? Und wer definiert, wie diese Lebendigkeit auszusehen hat? Welches Kirchenbild bildet die Grundlage für die Synodalentscheidungen der Lebendigen Gemeinde in den nächsten sechs Jahren?

Das Wahlprogramm hat nur die klassische parochial verfasste Gemeinde im Blick. Die Gemeinde, der die Liebe der Lebendigen Gemeinde gilt, ist wohl eine traditionelle Ortsgemeinde, in der eine Pfarrperson mit ihren Ehrenamtlichen die zentrale Rolle spielt. Was ist mit all den anderen Formen von Gemeinde? Was ist z.B. mit dem Hospitalhof in Stuttgart, der Diakonie, kirchlichen Krankenhäusern, Gefängnissen, Studierendengemeinden? Sie alle tragen dazu bei, dass Kirche wahrgenommen und ernst genommen wird. Zu behaupten, „eine Landeskirche hat dann Ausstrahlung, wenn sie starke Gemeinden hat“ (S. 41) greift viel zu kurz.

Dazu passt auch, dass für die Lebendige Gemeinde eine Kirchengemeinde ohne Pfarrperson wohl nicht denkbar ist. Was über die ländlichen Regionen gesagt wird, ist dafür beispielhaft: „Jedes Gemeindeglied kennt das Gesicht und die Stimme seines Pfarrers. So soll es auch bleiben.“ (S. 15) Dies ist ein reines Wunschbild. Es wird verkannt, dass biblisch betrachtet Gemeinden auch ohne Pfarrperson richtige Gemeinden sind.

Die Rolle der Ehrenamtlichen in der Kirche wird zwar betont, bei genauerem Hinsehen bleiben sie aber Mitarbeitende zweiter Klasse. So heißt es über die Ehrenamtlichen: „Sie sind jedoch nicht Lückenbüßer für fehlende Kraft im Pfarramt, sondern eigenständig Mitarbeitende, die gaben- und funktionsorientiert gefördert und eingesetzt werden.“ (S. 42) Das klingt gut. Aber warum wird im Passiv formuliert? Von wem werden die Ehrenamtlichen eingesetzt? Da sie sich wohl kaum selbst einsetzen, ist hier doch wieder eine hauptamtliche Person im Blick, die entscheidet und die Ehrenamtliche nach eigenen Vorstellungen einsetzt. Das passt nicht zum geforderten „Priestertum aller Glaubenden“. 

Es täte der Lebendigen Gemeinde gut, wenn sie den Blick weiten und nicht nur ihr eigenes Netzwerk und ihr traditionelles Bild von Gemeinde zum Maßstab von Kirche machen würde. Dann käme es auch nicht zu folgender Fehleinschätzung beim Blick auf die sinkenden Mitgliederzahlen: “Wir müssen also annehmen, dass immer weniger Menschen nach dem lebendigen Gott fragen.“ (S. 15) Das stimmt so nicht. Es gibt jede Menge Menschen, die ohne evangelische Kirchenmitgliedschaft nach Gott fragen oder an ihn glauben und es gibt jede Menge an Gott desinteressierte innerhalb der Kirche.

Obwohl die Lebendige Gemeinde den Anspruch hat, sich bei allem an Jesus Christus und an der Bibel zu orientieren, sind eigene Vorstellungen an manchen Stellen doch stärker. So wird behauptet: „Der Gottesdienst ist die Mitte der Gemeinde.“ (S. 42) Dieser Platz steht nur Jesus Christus selbst zu. Gemeinde gibt es auch ohne württembergischen Predigtgottesdienst (vgl. Mt 18,20)! Im Blick auf die Ehe ist von einem „besonderen Segen“ (S. 30, 42) die Rede. Biblisch ist auch das nicht. Im Schöpfungsbericht werden die Menschen mit genau derselben Formulierung gesegnet wie die Wassertiere und Vögel. Es gibt keinen „einzigartigen“, „besonderen“ Ehesegen in der Bibel.

Peinlich ist, dass die Broschüre der Lebendigen Gemeinde nicht durchgängig in inklusiver Sprache verfasst ist. Vor allem, wenn von Hauptamtlichen in der Kirche die Rede ist, wird meist nur die männliche Form verwendet. Fehlt hier das Bewusstsein, dass ein großer Anteil unserer Hauptamtlichen Frauen sind? Übrigens, warum sind alle Frauen, die in der Broschüre groß abgebildet werden, nur helfend, dienend und lächelnd dargestellt. Hat Gott ihnen keine Gaben zur Leitung gegeben?

Nicht nachvollziehbar ist, dass Worte wie „Klimawandel“ und „Fairtrade“ überhaupt nicht vorkommen. Warum fällt der Lebendigen Gemeinde zur Bewahrung der Schöpfung so wenig ein? Der kleine Abschnitt zu diesem Thema auf S. 42 reicht nicht aus. Kirche muss selbst Vorbild sein. Nur „für einen verantwortlichen Lebensstil“ zu „werben“ (S. 42) wird unserer Verantwortung nicht gerecht.

Merkwürdig sind die letzten beiden Sätze auf der Rückseite der Broschüre: „Jesus selbst verbindet mit seiner Gemeinde eine große Verheißung: Zusammen dürfen wir sein Licht für diese Welt sein.“ Jesus sieht das anders. Er sagt: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Matthäus 5,14). Im biblischen Original handelt es sich um einen Zuspruch, nicht um eine Erlaubnis. Wenn Kirche eine Zukunft haben will, müssen wir Jesus beim Wort nehmen und mutig seine Botschaft leben.

Dr. Jens Schnabel, Pfarrer, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen

Sie möchten sich selbst ein Bild machen? Hier gelangen Sie zum Programm der Lebendigen Gemeinde.

Kommentar zum Wahlprogramm der Offenen Kirche

Das Wahlprogramm der Offenen Kirche steht unter der Überschrift „Kirche hat Zukunft“. Das lässt hoffen, umso mehr, als die Einleitung verspricht: „Mit diesem Wahlprogramm wollen wir Ihnen die OFFENE KIRCHE mit ihren Visionen, Hoffnungen und ihrer Glaubenszuversicht näher bringen.“ (S. 3) Leider findet sich dann aber wenig Visionäres für die Zukunft der Kirche. Fast alles soll so bleiben wie es ist.

Zunächst geht es unter der Überschrift „Was uns wichtig ist“, um ein kirchliches Profil, das an vielen Stellen bereits Realität ist. Die ersten beiden Punkte „Christlicher Glaube und Spiritualität als Quelle des eigenen Handelns“ und „Demokratie und verantwortliches Handeln in Kirche und Gesellschaft“ bringen nichts Neues. Stillstand aber ist Rückschritt. Die Menschen von heute werden auf den klassischen Wegen immer weniger erreicht.

Bei den nächsten beiden Punkten „Geschlechter – gleich an Würde und Rechten“ und „Kirche auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens“ hat die Kirche durchaus noch Nachholbedarf.

Die zweite große Überschrift benennt dann die „Ziele für die Synodalperiode 2020-2025“. Da heißt es gleich am Anfang: „Die OFFENE Kirche setzt sich dafür ein, dass unsere Landeskirche es Kindern, Jugendlichen und Erwachsenenleichter macht, in Verbindung zu kommen mit Religion und Glauben, z.B. in Jugendkirchen, Citykirchen, im Religionsunterricht, durch den Dienst in der Arbeitswelt, in Krankenhäusern und bei der Notfallseelsorge.“ (S. 12) Das Ziel ist gut. Die Mittel um das Ziel zu erreichen sind allerdings die alten. D.h., es fehlt eine Idee, wie das Ziel erreicht werden kann, außerhalb eines „weiter so, wie bisher“.

Genau dieses Problem zeigt sich bei vielen weiteren Forderungen. Es fehlen innovative neue Ideen. Es fehlen Visionen für die Zukunft der Kirche. So wird beispielsweise gefordert, „dass unsere Landeskirche die Kürzungen zurücknimmt bei Einrichtungen, die besonders im gesellschaftlichen Bereich tätig sind, wie z. B. beim Friedenspfarramt, dem kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und der Evangelischen Akademie Bad Boll, dem Dienst für Mission und Ökumene, bei den Studierendengemeinden und Krankenhäusern.“ (S. 15) Auch hier geht es nur darum, die klassische kirchliche Arbeit zu erhalten bzw. wieder neu zu stärken und auszubauen. Aber mit genau dieser Arbeit erreichen wir seit Jahren immer weniger Menschen. Neue Ideen sind gefragt, wenn die Kirche eine Zukunft haben soll.

Bei den weiteren Forderungen gibt es dann noch manche Merkwürdigkeiten. So setzt sich die Offene Kirche z.B. dafür ein, „dass unsere Landeskirche Strukturen schafft, die den kommunalen Strukturen entsprechen“ (S. 16). In dieser Pauschalität ist das ziemlicher Unsinn. In größeren Städten müssten dann beispielsweise alle Kirchengemeinden im Stadtgebiet (also auch alle Kirchengemeinden der kommunal eingemeindeten Dörfer) zu einer Kirchengemeinde werden. Solche Mega-Einheiten bringen die Kirche sicher nicht näher zu den Menschen.

Dann wird gefordert, „dass unsere Landeskirche den Kirchengemeinden die vollständige Finanzhoheitüber ihre Mittel einräumt und keine Mittel zurückhält.“ (S. 16) Was ist damit gemeint? Eine genauere Erklärung wird nicht gegeben. Der Satz suggeriert jedoch, dass die Landeskirche eigenmächtig Gelder, die ihr nicht zustehen, zurückhalte. Wo ist der Beleg für solch eine Behauptung?

Die nächste Forderung enthält einen Widerspruch in sich. Da heißt es, „dass unsere Landeskirche im Detail einen Systemwechsel prüft und in einigen ausgewählten Modellbezirken erprobt: Kirchengemeinden bekämen in einem festgelegten Rahmen die Möglichkeit, Pfarrstellen zu erhöhen und dafür in anderen Bereichen zu kürzen oder Pfarrstellen zu reduzieren und in anderen Bereichen Stellen aufzustocken (z.B. Sekretariat oder Geschäftsführung)“ (S. 16). Was hier beschrieben wird, ist alles andere als ein Systemwechsel. Das sind allenfalls kleine Schritte, um neue Spielräume im bisherigen System zu eröffnen.

Schließlich wird gefordert, „dass unsere Landeskirche an der Vielfaltin der Volkskirche und in den Kirchengemeinden festhält und diese fördert und so Neugründungen von Gemeinden nicht notwendig macht.“ (S. 16) Dies ist ein klarer Widerspruch zu den theologischen Grundlagen der Offenen Kirche. Dort heißt es: „Für die OFFENE KIRCHE orientiert sich der Aufbau der Kirche an ihren Aufgaben. Kirche ist da, wo die Frohe Botschaft gemeinschaftlich gelebt und weitergegeben wird. Von daher kann Kirche aus einer großen Vielfalt von Einrichtungen und Organisationsformen bestehen.“ (vgl. https://www.offene-kirche.de/theologische_grundlagen.html) Entweder will man neue Organisationsformen oder es bleibt alles beim alten. Man kann sich nicht Offene Kirche nennen, wenn man nicht offen ist.

Positiv ist der Vorschlag einer „Erneuerung der Kirchenverfassung“ (S. 17) Das ist allerdings der erste Vorschlag, der in die Zukunft weist. Doch bleibt vieles in sich widersprüchlich. Die Forderung nach einer „innovativen Kirche“ (S. 18) passt so gar nicht zu diesem nahezu innovationsfreien Wahlprogramm. Es heißt zwar am Ende: „Zugleich möchten wir Gestaltungsräume finden, in denen neue Formen des Miteinanders entwickelt und erprobt werden können.“ (S. 19) Das gesamte Wahlprogramm bleibt aber beim strukturellen „weiter so, wie bisher“. Angestrebtes Ziel und eingesetzte Mittel passen nicht zusammen.

Wenn die Kirche eine Zukunft haben soll, braucht es neue innovative Ideen. Ein starres, strukturkonservatives Festhalten an der Vergangenheit ist keine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Dr. Jens Schnabel, Pfarrer, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen

Sie möchten sich selbst ein Bild machen? Hier gelangen Sie zum Programm der Offenen Kirche.

Kommentar zum Wahlprogramm von Evangelium und Kirche

Das Wahlprogramm von Evangelium und Kirche beschreibt auf breitem Raum die Situation unserer Gesellschaft und vor allem der evangelischen Kirche, wie sie sich zur Zeit darstellt. Dabei werden die klassischen Bereiche der kirchlichen Arbeit benannt: Diakonie, Bildung, Jugend- und Seniorenarbeit, Seelsorge. Auffällig ist, dass bei dieser Beschreibung von Kirche das Stichwort Verkündigung nicht als extra Überschrift vorkommt.

Die Darstellung von Kirche in ihren derzeitigen Lebensäußerungen mündet dann nach jedem Unterabschnitt in die Forderungen von Evangelium und Kirche. Kurz zusammen gefasst, möchte EuK alles, was es zur Zeit in der Kirche gibt, stärken und ausbauen. Genannt werden z.B. „Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft“ (S. 4), „Familienzentren, in denen Bildungs- und Beratungsangebote für Familien stattfinden“ (S. 6), „Schulseelsorge“ (S. 6), „in der Jugendarbeit attraktive Stellen“ (S. 6) und „Angebote der Telefonseelsorge und Online-Seelsorge“ (S. 7). Die Frage ist nur, mit welchen Ressourcen dies geschehen soll? Wie soll das alles finanziert werden?

Und was wird aus den Menschen, die die Kirche mit der bisherigen Arbeit nicht erreicht? Neue Ideen sucht man bei Evangelium und Kirche leider vergebens. Viele Forderungen klingen gut, gehen aber an der Realität vorbei. Da heißt es: „EuK tritt dafür ein, dass in möglichst jeder Kirchengemeinde Kinder- und Kleinkindergottesdienste gefeiert werden, um so Kindern die biblische Botschaft altersgemäß nahezubringen.“ (S. 5) Natürlich ist es ein wichtiges Anliegen, Kindern die biblische Botschaft nahe zu bringen. Aber die Zahlen sind fast überall rückläufig, weil klassische Kinderkircharbeit nicht mehr in den Lebensrhythmus moderner Familien passt. Es braucht also neue Konzepte und nicht klassische Kinder- und Kleinkindergottesdienste.

Auf der nächsten Seite heißt es dann: „EuK tritt dafür ein, dass Konfirmanden- und Jugendarbeit verstärkt miteinander verknüpft werden.“ (S. 6). Genau das wird schon seit Jahrzehnten mit mehr oder weniger Erfolg versucht. Das ist weder eine neue kreative Idee noch lässt sich so etwas von der Landessynode verordnen. Oder auf der nächsten Seite: „EuK tritt dafür ein, dass in den Dienstaufträgen der Pfarrerinnen und Pfarrer genügend Zeit für die Seelsorge eingeräumt wird.“ (S. 7). Auch das Thema Seelsorge im Pfarrberuf wird seit Jahrzehnten diskutiert ohne dass dadurch mehr Seelsorge gemacht wird. Solange der Pfarrberuf eine umfassende Zuständigkeit für alle kirchlichen Arbeitsbereiche hat und angesichts der Pfarrpläne sind solche Forderungen reine Illusion. Da müsste man schon den Pfarrberuf grundsätzlich überdenken und reformieren. Solche Gedanken finden sich bei Evangelium und Kirche aber nicht.

Zwar wird erkannt: „Die Kirche steht vor großen Herausforderungen: Individualisierung, Pluralisierung und Säkularisierung sind Themen, die uns als Evangelische Landeskirche theologisch wie organisatorisch beschäftigen.“ (S. 3) Was daraus folgt, sind aber nicht neue Ideen, sondern der Rückzug auf das bisherige. Alles soll so bleiben wie es war. Dazu passt auch, dass gefordert wird, „dass das universitäre Studium der Theologie bzw. die akademische Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer der Regelzugang zum Pfarramt bleibt.“ (S. 5) Ein Blick in die weltweite Christenheit zeigt, dass es auch anders geht. Wer Menschen aus allen Lebenswelten ansprechen will, braucht auch Hauptamtliche, die keinen akademischen Abschluss haben.

Dringend notwendige Strukturreformen innerhalb der Kirche sind für Evangelium und Kirche kein Thema. Dafür kommt der Hinweis: „Keine Struktur kann den Erfolg garantieren.“ (S. 3) Das stimmt zwar, aber schlechte Strukturen können die Arbeit massiv behindern. Wer sich angesichts der Herausforderungen unserer Zeit nur auf das althergebrachte zurückzieht, wird seiner Verantwortung für die Zukunft nicht gerecht. Es reicht nicht zu sagen: „Pfarramt und Kirchengemeinde sind genügend Veränderungen ausgesetzt.“ (S. 3)

Positiv ist, dass es das Wahlprogramm von Evangelium und Kirche auch in leichter Sprache gibt. Hier wird mit der Forderung nach einer sprachfähigen Kirche wirklich ernst gemacht. Welches Kirchenbild hinter dem Wahlprogramm von Evangelium und Kirche steht, wird allerdings leider an keiner Stelle erkennbar.

Ein weiterer Mangel im Wahlprogramm von Evangelium und Kirche besteht in der Zentrierung auf den Pfarrberuf. Andere kirchliche Berufsgruppen kommen, abgesehen von einer Erwähnung von Jugendreferentinnen und Jugendreferenten, nicht vor. Was ist mit den Diakoninnen und Diakonen? Was ist mit den Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern und all den anderen Berufsgruppen in der Kirche? Und schließlich tauchen im Wahlprogramm von Evangelium und Kirche Ehrenamtliche nur in den Rubriken Diakonie und Seelsorge auf. Ist das alles, was EuK dazu einfällt?

Wenn Kirche eine Zukunft haben will, müssen wir den Blick weiten und kreative und innovative neue Wege gehen. Wer sich nur auf das bisherige zurückzieht, hat die Hoffnung schon aufgegeben.

Dr. Jens Schnabel, Pfarrer, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen

Sie möchten sich selbst ein Bild machen? Hier gelangen Sie zum Programm von Evangelium und Kirche.

Newsletter zur Herbstsynode 2019

6 Jahre – 7 Zitronen

Die letzte Tagung der aktuellen Synodalperiode ging heute zu Ende. Endspurt. Abschluss. Resümee. Der Hospitalhof in Stuttgart war noch einmal der Ort für das Plenum, in dem wir von Kirche für morgen zu siebt sitzen. Was haben wir erreicht? Was bleibt nach den sechs Jahren Synode? Wie geht es weiter? Alle Ausschüsse unseres Kirchenparlaments haben noch einmal Rückblick gehalten. Hier lesen Sie, welche Themen auf der Tagesordnung standen – und Sie sehen unsere sieben sehr männlichen Synodalen mit einem persönlichen Statement. Und das mit der puren Männlichkeit muss sich bald ändern! Danke, wenn Sie unsere weiblichen Kandidatinnen in die nächste Synode bringen!

Inhalt

  1. Kirche, wohin gehst du? – Ziele der strategischen Planung
  2. 10 % für den Aufbruch! – Es reicht nicht, auf Mega-Trends nur zu reagieren
  3. Nein zu Antisemitismus und Judenhass – Schweigende Demonstration zur Synagoge der jüdischen Gemeinde
  4. So war die letzte Synodalperiode – Stimmen unserer sieben Zitronen aus dem Kirchenparlament

1. Kirche, wohin gehst du? – Ziele der strategischen Planung

„Weniger ist mehr“, dieses Motto durchzieht den Zwischenbericht zur Strategischen Planung, der von Landesbischof July und Direktor des OKR Werner in die Herbsttagung der Landessynode eingebracht wurde. Für den Gesprächskreis Kirche für morgen kommentiert Martin Allmendinger diesen Bericht. Seinen wichtigsten Beitrag sieht der Kfm Synodale darin, dem vorgetragenen Motto entgegenzuhalten, was Kirche für morgen schon von Anbeginn der Mitarbeit in der Synode auf ihre Fahnen geschrieben hatte: „Was nicht einfach geht, geht einfach nicht“.

Ein lohnender Blick auf den Bericht und das Votum von Martin Allmendinger finden Sie hier unter 1. Sitzungstag TOP 01.

2. 10 % für den Aufbruch! – Es reicht nicht, auf Mega-Trends nur zu reagieren

„Nutzen wir die hohen finanziellen Gestaltungsräume zukunftsorientiert?“ Diese Frage stellte Matthias Böhler in seinem Gesprächskreisvotum zum Haushaltsplan 2020 in den Mittelpunkt. Natürlich können wir in fetten Jahren durch das Auffüllen von Rücklagen Vorsorge treffen oder ein neues Verwaltungsgebäude für den Oberkirchenrat bauen. Das ist zukunftsorientiert und schafft Freiräume für zukünftige Generationen.

Projekte wie das „Pilgern“ oder „Kirche kunterbunt“ und auch der Bau einer Autobahnkapelle am Sindelfinger Wald sind zukunftsorientierte Investitionen, um als Kirche den Menschen dort zu begegnen, wo sie sind. „Es reicht nicht aus, auf äußere Entwicklungen und Megatrends zu reagieren. Wir müssen agieren.“, so Matthias Böhler.

Deshalb fordert Kirche für morgen 10 % des kirchlichen Haushalts für Innovation und Aufbruch. Das gesamte Gesprächskreisvotum lesen sie hier unter 3. Sitzungstag TOP 23.

3. Nein zu Antisemitismus und Judenhass – Schweigende Demonstration zur Synagoge der jüdischen Gemeinde

Die Landessynodalen marschierten zusammen mit dem Kollegium des Oberkirchenrats schweigend von ihrem Tagungsort im Stuttgarter Hospitalhof zur Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft. Dort erinnerte Landesbischof Dr.h.c. Frank Otfried July an den erschütternden Anschlag eines rechtsextremistischen Attentäters gegen die Synagogengemeinde in Halle und sprach der Jüdischen Gemeinde die Solidarität der Württembergischen Landeskirche zu.

Diese symbolische Handlung zeigte öffentliche Wirkung und fühlte sich besser an, als die überlangen Sonntagsreden bei Debatten zur aktuellen Stunde.

Den Bericht der Evangelischen Landeskirche dazu finden Sie hier unter 2. Sitzungstag TOP 07.

4. So war die letzte Synodalperiode – Stimmen unserer sieben Zitronen aus dem Kirchenparlament

Fast alle unserer Synodalen treten auch für die nächste Synodalperiode wieder an! V.l.n.r.: Kai Münzing, Martin Allmendinger, Willi Beck, Matthias Böhler, Peter L. Schmidt, Götz Kanzleiter, Tobi Wörner. 

„Nicht immer hatte ich in den zu Ende gehenden 12 Jahren so zuversichtlich drein geschaut. Jetzt blicke ich hoffnungsfroh auf die vor mir liegende Zeit und sehe voller Freude auf die neuen dynamischen Nachfolgerinnen und Nachfolger. Zitronenfrische Impulse waren kalklösend und gesprächskreisübergreifend beziehungsfördernd präsent. Kfm-Synodale sind gerne ‚erfrischend anders‘ und werden dies auch in der 16. Synode zum Ausdruck bringen. Über den Livestream oder von der Empore aus werde ich den weiteren Weg der Synode begleiten und hoffentlich nicht nur altersmilde lächeln.“ – Martin Allmendinger

„Synode und Kfm – steter Tropfen…  6 Jahre Synode, 6 Jahre immer wieder neue Gemeindeformen thematisiert, auf Milieuperspektive, Geh-Struktur, missionalen Lebensstil fokussiert, betont, dass man Kirchenräume verlassen muss, um die Menschen aus den unerreichten Milieus dort zu vergemeinschaften, wo sie leben und sie für Jesus zu begeistern.

Grenzüberschreitung in der Liturgiekommission – natürlich mit Milieuperspektive, Diskussionen im Theologischen Ausschuss, Aha-Erlebnisse als Delegierter in der ACK-Württemberg, dass auch die Orthodoxen begeistern…. doch wir konnten was bewegen und mein Leben wurde bewegt. Tolle Menschen kennengelernt, aus allen Gesprächskreisen. Manche Aliens sind zu Schwestern und Brüdern geworden. Man kennt unsere Themen, redet darüber, und ja, wir brauchen weitere 6 Jahre, um Abstimmungen zu einem Aufbruch für morgen anzuzetteln.“ – Willi Beck

„Ich bin dankbar, dass es uns immer mal wieder gelungen ist, unser altes ‚Dampfschiff‘ Kirche in Fahrt zu bringen. Und so träume ich von einer Kirche von morgen, die einem solarunterstützten Segelschiff gleicht. Dort gibt es lebensfreundliche Kajüten für ein buntes Miteinander. Damit segeln wir in fröhlicher Gemeinschaft in allen Milieus und Kulturen. Unsere Kinder und deren Kinder finden Heimat in diesem Schiff und haben Lust mitzufahren – denn das Beste kommt noch.“ – Götz Kanzleiter

Sechs Jahre mit Suchtpotential! Neben der Möglichkeit, zitronige Inhalte einzubringen und Anträge anderer Gesprächskreise zitronengelb ‚zu färben‘, fand ich persönlich geistige und geistliche Heimat. 

Als aktuell stellvertretender Vorsitzender des landeskirchlichen Finanzausschusses will ich in den kommenden Jahren weiterhin dem OKR ein echtes Gegenüber sein!“ – Kai Münzing

„Ich persönlich habe von der Arbeit im Rechtsausschuss enorm profitiert – es ist schon rein fachlich ein echter Gewinn, zusammen mit hochqualifizierten Juristinnen und Juristen Kirchenrecht zu gestalten; aber auch inhaltlich ist es eine große Chance, eigene Überzeugungen umzusetzen oder wenigstens an berufener Stelle einbringen zu können.“ – Peter L. Schmidt 

Ich finde, hier kann man wirklich was bewegen. Um unsere Landeskirche positiv zu prägen, lassen wir uns auf die oft zähe Synodalarbeit ein – und in der nächsten Runde mit hoffentlich viel mehr zitronigen Menschen!“ – Tobi Wörner

Sie wollen in Zukunft direkt nach der Synodaltagung informiert werden und einmal im Monat weitere interessante Informationen zu Kirche für morgen per E-Mail erhalten? Wir freuen uns, wenn Sie unseren Newsletter abonnieren!

Ein einzigartiges Wahlsystem – Kommentar zur skandalösen Pressemeldung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg am 29.08.2019

Unter der verheißungsvollen Überschrift „Ein einzigartiges Wahlsystem. Nur Württembergs Protestanten wählen ihr Kirchenparlament direkt“, konnte man am vergangenen Donnerstag eine Pressemeldung auf der Internetseite der Württembergischen Landeskirche lesen.

Erstaunlicherweise bleibt der Text dann aber nicht bei einer positiven Würdigung des Wahlsystems, sondern beschäftigt sich zum größeren Teil mit angeblichen „Nachteilen der Urwahl“. Dabei werden keine wirklich stichhaltigen Argumente vorgetragen. So heißt es: „Der Aufwand für eine Urwahl ist für Kirche und Kandidaten sehr viel größer. Vorausgeht ein Wahlkampf, der Zeit und Kraft kostet.“ Das stimmt. Aber Demokratie ist nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.

Wer die Kirchenglieder ernst nimmt und sie an den zentralen Entscheidungsprozessen beteiligen möchte, wird diesen Aufwand nicht scheuen. Ganz im Gegenteil: Nur durch einen Wahlkampf wird deutlich, welche unterschiedlichen Optionen es für den Weg in die Zukunft der Kirche gibt und dass es sich lohnt, sich zu beteiligen und sich einzubringen.

Auch das nächste Argument gegen die Urwahl der Synodalen in die Landessynode überzeugt nicht: „Die Profilierung der Gesprächskreise, die Parteien ähneln, führt zu Fraktionierungen.“ Wo ist da das Problem? Kirche ist nie ein Einheitsbrei, sondern eine versöhnte Verschiedenheit. Unterschiedliche Meinungen sind kein Problem, sondern ein Schatz und eine Chance.

Auch das abschließend vorgebrachte, angebliche „theologische Problem“, ist nicht stichhaltig. Dass in der Geschichte der Reformation die meiste Zeit die Landessynoden mit Delegierten aus den Leitungsgremien der Kirchengemeinden und nicht mit direkt gewählten Vertretern des Kirchenvolkes besetzt waren, liegt vor allem an der Tatsache, dass das Umfeld der Kirche eine Monarchie war. Demokratische Beteiligungsformen sind im Staat und in der Kirche eine jüngere Entwicklung. Es ist Menschen nicht vorzuwerfen, wenn sie etwas nicht hatten, was sie nicht kannten. Will der Autor etwa wieder zurück zu einer monarchisch verfassten Kirche, in der es nur eine von oben verordnete Meinung gibt?

Der in der Pressemeldung am Ende zitierte Hinweis des Vorsitzenden des Rechtsausschusses Christian Heckel, „Es gebe keinen Grund, auf die Urwahl stolz zu sein, denn auch für andere Systeme sprächen gute Gründe.“, lässt einen ratlos zurück. Gerade in Zeiten von sinkenden Kirchenmitgliederzahlen und wachsender Demokratiefeindlichkeit im Land muss doch die Demokratie gestärkt werden!

Dieser Artikel motiviert jedenfalls nicht, zur Wahl zu gehen. Schade!

Warum die Württembergische Landeskirche einen solch einseitigen Text des Evangelischen Pressedienstes auf ihrer Internetseite veröffentlicht, ist nicht nachvollziehbar.

Als Kirche für morgen stehen wir für mehr Beteiligung und mehr Demokratie in der Kirche und nicht für deren Abbau. Wir sind stolz auf die Urwahl der Synodalen in die Landessynode.

Dr. Jens Schnabel, Gemeindepfarrer in Sindelfingen, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen

Beten für den Aufbruch

Bevor Jesus so richtig mit seinen Jüngern durchstartet, zieht er sich zurück, betet (Lukas 5,16) und verzichtet auf Essen (Matthäus 4,2). Die ersten Christen senden Paulus und Barnabas erst auf die Missionreise, nachdem sie lange gebetet hatten (Apg 13,3). 

Bevor wir uns aktiv für eine Kirche von morgen einsetzen, wollen auch wir beten. Wir wollen bewusst innehalten und hinhören. Darauf, was die Menschen tatsächlich brauchen und darauf, was Gott mit unserer Kirche vorhat und von uns als Kirche möchte. Denn wir sind uns bewusst, dass die Kirche nicht unser eigenes Projekt ist, sondern Gottes. Und jeder Aufbruch beginnt zuerst in uns. 

Deshalb laden wir dich ein, jeden Mittwoch mit uns dort wo du bist für den Aufbruch in unserer Kirche zu beten. Was das für dich konkret bedeutet, ist dir selbst überlassen: Du kannst mit kurzen, regelmäßigen Gebeten über den Tag verteilt oder in einer expliziten Gebetszeit Gott um Aufbruch in unserer Kirche bitten. Wenn du möchtest, kannst du ergänzend auch auf eine oder mehrere Mahlzeiten verzichten. Es geht nicht darum, dass jeder möglichst viel betet, sondern darum, dass wir gemeinsam für unsere Kirche einstehen.

Über WhatsApp bekommst du eine kleine wöchentliche Erinnerung und einen Impuls für dein Gebet. Sende dazu „Gebet“ an 015678 558036.

Wir glauben, dass das Beste noch kommt und wollen hoffnungsvoll und offen damit rechnen, dass Gott handelt.

Newsletter zur Sommersynode 2019

Vom 4. bis 6. Juli 2019 tagte die 15. Württembergische Evangelische Landessynode im Hospitalhof Stuttgart. Was wurde diskutiert, was wurde beschlossen, wie haben sich die Synodalen der Reform-Initiative Kirche für morgen eingebracht? Was haben sie angestoßen und bewegt? Lesen Sie dazu die Berichte unserer Synodalen mit zitronenfrischen Eindrücken aus Stuttgart.

Inhalt

  1. Abschlussbericht Maßnahmepaket I Diakonat – Ein Abschluss, der nicht abgeschlossen werden darf – von Martin Allmendinger
  2. Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens in Württemberg – Signal zum Aufbruch – von Tobi Wörner
  3. Nachhaltige Förderung der Kindergartenarbeit – Für ein Ende des Schattendaseins – von Kai Münzing
  4. Kirchengesetz zur Einführung von Personalgemeinden auf Kirchenbezirksebene – Einbindung von neuen Gemeindeformen – von Willi Beck
  5. Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 – Viel Geld für wenig Neues – von Kai Münzing
  6. Wahl/Bestätigung von Oberkirchenräten durch die Landessynode – Es bleibt beim alten System – von Peter L. Schmidt

1. Abschlussbericht Maßnahmenpaket I Diakonat – Ein Abschluss, der nicht abgeschlossen werden darf

Die 14. Landessynode hatte bei ihrer Beschäftigung mit dem Diakonat u.a. den Sonderausschuss Diakonat ins Leben gerufen, dessen Vorsitzender Martin Allmendinger war. Dieser erarbeitete ein Maßnahmenpaket, dessen Ergebnisse OKR Dr. Norbert Lurz nun in einem umfangreichen Bericht vorgestellt hat.

Der Kfm-Synodale Martin Allmendinger hat diesen Bericht im Auftrag des Ausschusses für Diakonie kritisch ergänzt.

Dabei machte er deutlich, dass vieles auf den Weg gebracht, jedoch die Zukunftssicherung des Diakonats erst ansatzweise erreicht werden konnte. So konnten beispielsweise durch gelungene Projekte etliche Arbeitsbereiche im Diakonat neu konzipiert, erprobt und evaluiert werden.
Jedoch konnte die Fragestellung einer zentralen Anstellung nicht wunschgemäß erprobt werden. Dies scheiterte bislang an der Bereitschaft vieler Anstellungsträger (meist Kirchenbezirke), sich auf eine Strukturerprobung einzulassen, obwohl die Angebote der Landeskirche mit großem finanziellem wie personellem Aufwand gefördert wurden und werden.
Manches ist auf den Weg gebracht, vieles angedacht und in der Praxis erprobt. Jedoch sind wir für eine nachhaltige Zukunftssicherung des Diakonats auf einem steinigen Weg.

Mit der Änderung der Präambel des Diakoninnen – und Diakonengesetzes im Jahr 2013 hatte die Landessynode den Weg für weitere dringend notwendige Gesetzesänderungen geebnet. Leider ist diesbezüglich in den vergangenen sechs Jahren nichts passiert. Dies wurde vom Martin Allmendinger heftig kritisiert. Er forderte den Oberkirchenrat auf, zum Beginn der 16. Synode endlich Ergebnisse vorzulegen. Wir von Kfm sind gespannt und werden scharf beobachten, bis wann welche Veränderungen zur Zukunftssicherung dann in die Synode eingebracht werden.

Das Maßnahmenpaket I sollte mit diesem Abschlussbericht zu einem Ende gebracht werden, ist aber für die meisten Synodalen wohl ein Potemkin’sches Dorf geblieben. Nachfolgerinnen und Nachfolger in der kommenden Synode haben dafür zu sorgen, dass dieser Bericht nun doch in eine gute Zukunft des Diakonats führt.

Hier geht’s zum Bericht von Martin Allmendinger und hier zum Bericht von OKR Lurz.

von Martin Allmendinger

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2. Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens in Württemberg – Signal zum Aufbruch

Halbierung der Kirchenmitgliederzahlen bis zum Jahr 2060 – das ist deftig! Fabian Peters von der Uni Freiburg war zu Gast auf der Synode und präsentierte die Ergebnisse seiner Forschung: Die Projektion der Entwicklung der Kirchenmitglieder in den nächsten Jahrzehnten. Wie gut, dass dieses Thema nun richtig zentral ins Plenum gebracht wurde.

Die Studie sagt: Nur die Hälfte des Mitgliederschwundes ist der Demografie geschuldet – die andere Hälfte liegt an gut beeinflussbaren Faktoren. Darüber diskutieren wir von Kfm natürlich gerne!

Bei diesem Thema kommen die Unterschiede der Gesprächskreise, besonders im Bezug zum Kirchenbild, sehr deutlich zum Vorschein.

Der Kfm-Synodale Tobi Wörner sagte in seinem Votum vor der Synode:
„Herausfordernde Phänomene sind eine Einladung in die Weite. Heute ist dran, über tatsächliche Kirchentransformation zu reden.
Öffnen wir uns für die Unerreichten – Mitglieder und Nicht-Mitglieder.
Öffnen wir uns für die Milieus, von denen wir jetzt echt schon lange reden.
Öffnen wir uns für die Alterszielgruppe, die am häufigsten austritt: Junge Erwachsene. Öffnen wir uns für verschiedene Gottesdienststile. Wirklich.
Öffnen wir uns für eine neue theologische und strukturelle Weite.

Wie wollen wir das tun?
Wir sagen: 10 % für den Aufbruch! Lassen wir 90 % unserer kirchlichen Arbeit gern so weiterlaufen wie bisher UND investieren wir 10 % für Neues.

Stellen Sie sich das mal vor: 10 % der Finanzen gehen in Innovationen. 10 % des Personals setzen wir für Menschen ein, die wir bisher noch nicht erreichen. 10 % unserer Tagesordnungspunkte beschäftigen sich mit neuen Ideen für die Zukunft. Und 10 % unserer Ressourcen richten wir so aus, dass Nicht-Mitglieder davon profitieren. Das wär doch mal eine Öffnung, die in die Weite führt.“

Dafür stehen wir von Kfm auch in der Zukunft.

Hier geht es zum gesamten Votum und hier zur Präsentation von Fabian Peters

von Tobi Wörner

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3. Nachhaltige Förderung der Kindergartenarbeit – Für ein Ende des Schattendaseins

Sämtliche Erkenntnisse diverser Milieuuntersuchungen zeigen den großen Schatz der Evangelischen Kindergartenarbeit. In keinem anderen Arbeitsfeld der Kirchengemeinden ist die Möglichkeit so groß, über die Eltern- und Familienarbeit gemeindenahe, sozialdiakonische Arbeit in den sogenannten Sozialräumen und Quartieren einer Gemeinde als Kirche gestalten zu können.

Dennoch, und wider besseres Wissen, wurde Evangelische Kindergartenarbeit seitens der Kirchenleitung und einiger Gesprächskreise nur in Schaufensterreden in den Fokus gerückt.
Deutlich wird dies daran, dass Kindergartenarbeit weder zu höheren Kirchensteuerverteilbeträgen führt, noch dass sie Einfluss auf Pfarrplanberechnungen hat!

Kirche für morgen, insbesondere Kai Münzing, hat sich während der 15. Landessynode sehr stark für die Unterstützung der Evangelischen Kindergartenträger sowohl im Bereich der dauerhaften Finanzierung als auch im Bereich der Verwaltungsunterstützung eingesetzt.

Beides konnte nun auf unsere Initiative hin zum Ende der Legislatur realisiert werden und dient der Entlastung der Kirchengemeinden und den Pfarrer*innen in den Gemeinden.

Hier findet sich der entsprechende Antrag – kurz und knapp.

von Kai Münzing

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4. Kirchengesetz zur Einführung von Personalgemeinden auf Kirchenbezirksebene – Einbindung von neuen Gemeindeformen

2014 haben wir einen Antrag (14/14) mit der Bitte um adäquate Einbindung von neuen Gemeindeformen in die Landeskirche eingebracht.

Nach langem Ringen wurde das Anliegen jetzt mit großer Mehrheit in Gesetzesform gegossen: In Zukunft wird es also möglich sein, dass neue Gemeindeformen auf Kirchenbezirksebene angesiedelt werden können und die Enge der Parochie aufgelöst wird. Personale Gemeinden im Kirchenbezirk werden in die kirchenbezirkliche Arbeit integriert, das Leitungsgremium wird zum Kirchengemeinderat, der – wie in den anderen Kirchengemeinden auch – für 6 Jahre von ihren Mitgliedern gewählt wird.

Freilich können die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch als Verhinderungsbedingungen wahrgenommen werden. Trotzdem, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass neue Initiativen, die sich zu Gemeinden entwickeln, eigene Strukturen abbilden, Mitglieder haben, Personal anstellen können usw. und dabei eine weitere Möglichkeit zur Anbindung an die Landeskirche haben.

Ihr Haushalt wird als Sonderhaushalt beim Kirchenbezirk geführt, ab 150 Mitgliedern kann eine Bezirksanbindung erfolgen; ihr Personal zählt nicht zum Stellenplan des Kirchenbezirks.

Darauf kann man aufbauen, unsere Kirche bewegt sich schrittweise. Kirchensteuern erhalten diese Personalgemeinden jedoch nicht. Diese folgen nach wie vor dem Wohnort, an dem ihre Mitglieder wohnen und gehen an die jeweilige parochiale Kirchengemeinde. Eine Veränderung in dieser Sache bleibt einer kommenden Synode vorbehalten.

Nun gilt es, mutig vorwärts zu gehen, so dass sich weitere Personalgemeinden herausbilden und die Kirchenbezirke bereichert werden.

Hier findet sich das Gesetz, das zum 1.1.2020 in Kraft treten wird.

von Willi Beck

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5. Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 – Viel Geld für wenig Neues

Unser Kfm-Synodaler Kai Münzing, stellvertretender Vorsitzender des landeskirchlichen Finanzausschusses, hielt das Gesprächskreisvotum zur Mittelfristigen Finanzplanung der Landeskirche, die von OKR Dr. Martin Kastrup vorgetragen worden war.

Wiederholt legte er den Finger in die Wunde, dass die Finanzmittel der Landeskirche im engeren Sinne und auch die der Kirchengemeinden nach wie vor in die Erhaltung von vorhandenen Strukturen und veralteten, verkrusteten Angebotsformen fließen. Sehr viel tiefer ist allerdings die Wunde, dass nach wie vor keine oder zumindest viel zu wenig Mittel in Neues und Innovatives investiert werden.

Mit seiner Forderung, 90 % für die Bewahrung und Fortführung von Bewährtem und 10 % für Innovatives und Neues (sozusagen für Startups) einzusetzen, knüpfte er unmittelbar an das Votum von Tobi Wörner an.

Hier geht es zum Votum und hier zum Bericht von Dr. Kastrup.

von Kai Münzing

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6. Wahl/Bestätigung von Oberkirchenräten durch die Landessynode – Es bleibt beim alten System

Kirche für morgen will eine Beteiligungskirche, eine Kirche von unten – da sind wir uns einig!

Darum unterstützten die meisten unserer Synodalen auch von Herzen einen Antrag der Offenen Kirche, der zum Ziel hatte, unsere Kirchenverfassung dahingehend zu ändern, dass bei der Wahl der Mitglieder des OKR-Kollegiums ein Letztentscheidungsrecht der Synode eingeführt wird, und wenn es auch nur darin besteht, die Wahl, die der Landeskirchenausschuss durchführt, zu bestätigen.

Der Antrag stellte auch stärkere Mitwirkungsrechte wie z. B. die Direktwahl der Kollegiumsmitglieder durch die Synode zur Disposition. Leider konnte sich die Mehrheit der Synode, v. a. getragen durch die konservative Mehrheit (LG) und die sog. Mitte (EuK), nicht einmal zur sanftesten Mitwirkungsmöglichkeit durchringen.

Auch wenn wir manche Bedenken (z. B. die Sorge, dass der für die Wahl zuständige Landeskirchenausschuss geschwächt wird) ernst nehmen, bedauern wir es, dass sich die Synode an dieser Stelle wieder einmal nicht mutig und veränderungsbereit gezeigt hat.

Hier findet sich der Antrag nebst Begründung.

von Peter L. Schmidt

Die Berichterstattung der Landeskirche finden Sie hier.

Kirche, quo vadis?

Jens Schnabel bei der Veranstaltungsreihe „Kirche im Dialog“

Im Rahmen der Reihe „Kirche im Dialog – Die Veranstaltungsreihe, die tiefer blickt“ fand am Freitag, den 7. Juni, der dritte Abend in der gut besuchten Matthäuskirche in Backnang statt. Das Thema: „Kirche, quo vadis? Das Kirchenbild der verschiedenen Geprächskreise der Landessynode mit leitenden Synodalen der vier Gesprächskreise.“ Auf dem Podium vertreten waren Matthias Hanßmann (Lebendige Gemeinde), Ernst-Wilhelm Gohl (Evangelium u Kirche), Elke Dangelmaier-Vincon (Offene Kirche) und Dr. Jens Schnabel (Kirche für morgen).

Die Vertreter der vier Gesprächskreise sollten nacheinander ihr Kirchenbild vorstellen. Elke Dangelmaier-Vinçon berief sich dabei vor allem auf den Namen Ihres Gesprächskreises und forderte eine offene Kirche, als Raum, in dem alle willkommen sind, während Matthias Hanßmann den hohen Stellenwert der Bibel sowie die Bedeutung des Ehrenamts betonte und sich mehr missionarische Strahlkraft wünschte. Vielleicht brauche es dafür neue Gemeindeformen, sagte der Vertreter der LG.  Ernst-Wilhelm Gohl von der EuK legte Wert darauf, dass Wohnort-Gemeinden und neue Gemeinden nicht gegeneinander ausgespielt werden, dass das Theologiestudium der Regelzugang zum Pfarrberuf bleibt und auf eine selbstbewusste Kirche mit dienenden Strukturen.

Dr. Jens Schnabel, 1. Vorsitzender von Kfm, stellte das Stichwort Beziehung in den Mittelpunkt: „Kirche ist Beziehungsgeschehen!“ Daran entfaltete er vier Beziehungsdimensionen. „Erstens, wir als Kirche wenden uns der Welt zu. Die Zuwendung zur Welt umfasst die ganze Schöpfung. Diakonisches Handeln, Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind Teil ihrer Aufgabe.“, so Schnabel. Außerdem müsse sich die Kirche einander zuwenden, eine starke Gemeinschaft bilden, einander stützen und als Gemeinde gemeinsam die Liebe Gottes feiern. Die dritte Dimension stellt die Ökumene dar: „Christliche Gemeinden arbeiten zusammen, helfen sich, innerhalb des Ortes, der Stadt sowie auch weltweit.“ Als vierten Baustein sieht er die Spiritualität, die Zuwendung zu und die Suche nach Gott. „Entscheidend ist, dass alle vier Beziehungs-Dimensionen (christliche Spiritualität, Gemeinschaft, Ökumene, Sendung zur Welt) das Gemeindeleben und die kirchlichen Strukturen prägen und nicht nur punktuell vorkommen. Einzelne Dimensionen lassen sich nicht ausblenden oder abspalten.“ Das heißt konkret: für den Vorsitzenden von Kirche für morgen kommt die Gemeinschaft vor Struktur. Strukturen dienten der Entfaltung von Kirche und sind kein Selbstzweck. Die Kirche als Gemeinschaft setze die Beteiligung der einzelnen Glieder voraus, alle können und sollen also etwas beitragen.

Zusammenfassend sagte Jens Schnabel über den Abend: „Schade war, dass sich die anderen drei Gesprächskreise auf das Thema Kirchenbild nicht wirklich eingelassen haben. Sie formulierten eher eine Art Wunschliste, wie sie sich Kirche vorstellen und verzichteten auf jede theologische Begründung. Die Reforminitiative „Kirche für morgen“ fordert schon seit langem, dass wir als Kirche konsequent neue Wege beschreiten müssen! Wir  brauchen überparochiale Gemeindeformen, Kirche an anderen Orten, Lebensweltgemeinden, „fresh expressions of church“. Nur so können wir den Ergebnissen der berühmt gewordenen Freiburger Studie ein positives Kirchenbild entgegensetzen.“

Der vierte und letzte Abend der Reihe „Kirche im Dialog“ findet am Freitag, den 27. September um 19.00 Uhr im Gemeindehaus Heininger Weg, Backnang, statt. Dabei wird der ehemalige Bundestagsabgeordnete Robert Antretter zu Thema „Vorbildliche Kirche heute“sprechen.

Wenn euch das Kirchenbild von Kfm interessiert und ihr mehr zu Kirche als Beziehungsgeschehen erfahren möchtet, dann könnt ihr hier unser Grundlagenpapier lesen.

Die Umfrage zur Kirchenwahl 2019 ist geschlossen

Die Umfrage zur Kirchenwahl 2019 ist geschlossen.
Wir bedanken uns bei euch für das große Interesse, für das rege Weiterverbreiten der Umfrage und natürlich für all die engagierten und ausführlichen Antworten.
Für die kommenden Tage bedeutet das für uns: auswerten, auswerten, auswerten. Über 700 ausgefüllte Umfragen sind bei uns angekommen und wir sind sehr gespannt, wie eure Meinungen zur Evangelischen Kirche aussehen!